Die Auswirkungen bewaffneter Konflikte auf kindliches Aggressionsverhalten

Zwischen dem Aufwachsen eines Kindes in einem Umfeld politischer Gewalt und seinem Aggressionsverhalten besteht ein Zusammenhang, dem zunehmend Beachtung geschenkt wird. Wissenschaftler ergründeten diesen Zusammenhang am Beispiel des Konflikts zwischen Israelis und Palästinensern, der bereits seit drei Generationen in gleicher Stärke anhält.

Ziel des teilweise EU-finanzierten Projekts CHILDREN AND WAR (Children in the crossfire: The cumulative effect of political violence, parent-child relations, and individual characteristics, on the development of aggression) war es, die Entwicklung von Verhaltensstörungen bei israelischen Kindern, die in einem Zustand permanenter politischer Gewaltausübung aufwachsen, zu untersuchen. In der auf zweieinhalb Jahre angelegten Längsschnittstudie fanden persönliche Faktoren ebenso Beachtung wie die Familien der Kinder und die Beziehung zwischen Eltern und Kind. Der Schwerpunkt lag darauf, Störungen des Sozialverhaltens (conduct disorder, CD) sowie Störungen des Sozialverhaltens mit oppositionellem, aufsässigem Verhalten (oppositional defiant disorder, ODD), in Abhängigkeit zu Schwankungen bei der Stärke der ausgeübten politischen Gewalt zu untersuchen.

Durch Verwendung eines entwicklungsökologischen Ansatzes wird der Tatsache Rechnung getragen, dass die Entwicklung von Kindern, welche in einem Umfeld politischer Gewalt aufwachsen, auch durch andere Risikofaktoren, insbesondere durch Beziehungen innerhalb der Familie, beeinflusst wird. Das Hauptziel der Projektarbeiten besteht damit in einer Erweiterung der Kenntnisse darüber, welchen Einfluss elterliche Erziehung, die geistige Gesundheit der Eltern und die Eltern-Kind-Bindung in einem Klima politischer Gewalt auf Entwicklung und Fortbestand von ODD und CD bei Kindern haben.

Im Rahmen von CHILDREN AND WAR wurden mehrere Studien durchgeführt, die darauf ausgerichtet waren, die kumulativen Auswirkungen aller Faktoren auf die Entwicklung von Verhaltensstörungen bei von politischer Gewalt betroffenen Kindern, auf Beziehungen innerhalb der Familie sowie auf die Verletzlichkeit und die Stärken des Kindes besser zu verstehen. Die gesammelten Daten unterstreichen, wie ausschlaggebend Umweltfaktoren für die Entwicklung eines Kindes sind, das in permanentem Kriegszustand aufwächst.

Eine Studie kam zu dem Ergebnis, dass die Symptome der Kinder, insbesondere ihre Aggression, mit Depressionen der Mutter sowie der Schwere der Stressbelastung in Zusammenhang stehen. Diese Ergebnisse decken sich mit früheren Forschungsarbeiten, die darauf schließen lassen, dass familiäre Faktoren eine größere Rolle für die Entwicklung von Verhaltensstörungen spielen als ein Umfeld politischer Gewalt allein.

Für die Studie wurde die Interaktion von Müttern mit ihren Kindern auf Video aufgenommen. Die ersten Ergebnisse versprechen Erfolg für die weitere Klärung der Frage, wie sich ein Klima politischer Gewalt sich das Verhalten von Müttern und deren Fähigkeit auswirkt, ihre Kinder emotional zu stützen, wodurch wiederum die Mutter-Kind-Beziehung und die verhaltenstypischen Symptome der Kinder beeinflusst werden.

In einer anderen Studie wird derzeit bewertet, welchen Einfluss Sirenen und Raketenangriffe auf die Ausprägung der kindlichen Symptome haben, wobei untersucht wird, ob eine positive Eltern-Kind-Beziehung in solchen Fällen abmildernd wirken kann.

In einer Studie, an der 300 Kinder einer Schule nördlich des Gazastreifens teilnehmen, werden die Zusammenhänge erforscht, die zwischen dem Maß, in dem die Kinder politischer Gewalt ausgesetzt sind, den Angaben der Kinder zur Stabilität der Bindung zu ihren Eltern, den persönlichen Stärken und Schwierigkeiten der Kinder sowie ihrem Aggressionsverhalten bestehen. Die Projektforscher erhoffen sich ein besseres Verständnis der kumulativen Auswirkungen, welche politische Gewaltausübung, Bindungen und persönliche Anfälligkeiten auf das Wohlbefinden Heranwachsender haben.

Obwohl die Datenanalyse noch nicht abgeschlossen ist und eine Auswertung noch aussteht, kann CHILDREN AND WAR auf diesem noch jungen Forschungsgebiet bereits jetzt bahnbrechende Ergebnisse vorweisen. Ein verbessertes Verständnis der Faktoren, die auf Kinder einwirken, die in Gebieten politischer Gewaltausübung aufwachsen, wird für die Entwicklung von Präventions- und Interventionsprogrammen entscheidend sein, welche auf die Kinder sowie deren wichtigste Bezugspersonen zugeschnitten sein werden und das Kindeswohl bedeutend verbessern sollen.

veröffentlicht: 2015-10-01
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