Der Siegeszug des Web 2.0 ebnete den Weg für stärkeres bürgerschaftliches Engagement. Heute können wir uns nicht nur innerhalb kürzester Zeit einem großen Publikum mitteilen, sondern dieses auch als Unterstützer gewinnen, mit welchen gesellschaftlicher Wandel Wirklichkeit werden kann. Dies gilt im Bereich der Politik, aber auch im Gesetzesvollzug.
Seit 2010 nimmt die Zahl der Apps, über die Bürger Straftaten oder Vorfälle an die Polizei melden können, rasant zu. Die meisten davon sind jedoch auf die Erfordernisse des angelsächsischen Raums zugeschnitten. Das Projekt CITYCOP (Citizen Interaction Technologies Yield Community Policing) hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Grund für die geringe Zahl kontinentaleuropäischer Apps zu finden und im Anschluss selbst eine solche zu entwickeln, die den unterschiedlichen örtlichen wie gesellschaftlichen Verhältnissen innerhalb Europas gerecht wird.
Wenige Monate vor Abschluss des Projekts im Mai 2018 spricht Prof. Dr. Jeanne Pia Mifsud Bonnici, CITYCOP-Koordinatorin an der Universität Groningen, über dessen Ergebnisse.
Wie erklären Sie, dass Apps für die Meldung von Straftaten eine immer wichtigere Rolle spielen?
Ich denke, dafür gibt es unterschiedliche Gründe. Zunächst einmal stellt dies eine moderne Form der Kontaktaufnahme mit der Polizei dar, die den Bürgern das Gefühl gibt, auf unkomplizierte Weise ihren Beitrag zu Verbrechensbekämpfung, öffentlicher Sicherheit und gesellschaftlichem Miteinander zu leisten. Damit sind Apps zu unverzichtbaren Werkzeugen der Polizeiarbeit im 21. Jahrhundert geworden.
Ein weiterer Grund ist, dass die direkte Einbindung von Bürgern die Effizienz polizeilicher Arbeiten steigern kann, wodurch Kapazitäten frei werden, die die Polizei zur Aufklärung von Straftaten nutzen kann oder um sich wichtiger Belange der Bürger anzunehmen.
Eines der Projektziele bestand darin, herauszufinden, wieso die EU in dieser Hinsicht noch hinterherhinkt. Zu welchem Ergebnis sind Sie gekommen?
Sieht man sich EU-weit das Verhältnis zwischen Polizei und Bürgern an, ergibt sich kein einheitliches Bild. Durch unsere Forschungen fanden wir heraus, dass „Community Policing“ von Land zu Land unterschiedlich definiert wird. In einigen Ländern Europas gehört die enge Zusammenarbeit zwischen Polizei und Bürgern bereits seit Jahrzehnten zum Alltag, in anderen ist „Community Policing“ noch ein recht unbekannter Begriff und das Konzept gewinnt aufgrund kultureller oder historisch bedingter Vorbehalte gegenüber der Institution Polizei nur langsam Kontur.
Aus diesem Grund bedarf es hier individuell unterschiedlicher Lösungen, die die jeweilige örtliche Polizeiarbeit in geeigneter Weise unterstützen. Grundvoraussetzung, damit sich Innovationen wie diese App etablieren und messbare Wirkung zeigen können, ist der erkennbare Wille zur Einbindung der Bürger und zum Aufbau eines Vertrauensverhältnisses.
Wie gelingt es Ihrer App, die beschriebenen Probleme zu lösen?
SecureU ist für jeden Ort in einer leicht unterschiedlichen Fassung verfügbar, wodurch die Bedürfnisse von Polizei und Bürgern gleichermaßen berücksichtigt werden. Unsere Forschungen haben uns gezeigt, dass sich die Menschen ein besseres Verhältnis zur Polizei wünschen. Sie wünschen sich nicht nur eine stärker sichtbare Präsenz und mehr Interaktion, sondern auch einen intensiveren Austausch zu Problemen, die direkte Auswirkung auf ihr tägliches Leben haben.
Beides kann unsere App leisten – und ist dabei so entworfen, dass ein hoher Datenschutz gewährleistet wird und auch national wie auf EU-Ebene geltende diesbezügliche Bestimmungen eingehalten werden.
Die App verfügt über drei grundsätzliche Features. Das erste ermöglicht es der Polizei, die Bürger durch das Versenden von Benachrichtigungen direkt über lokale Ereignisse, Verkehrsunfälle und Vorfälle von Relevanz für die öffentliche Sicherheit zu informieren. Darüber hinaus haben Nutzer der App die Möglichkeit, Straftaten ebenso zu melden wie Vorfälle, durch die das Zusammenleben im öffentlichen Raum beeinträchtigt wird. Zu guter Letzt kann über die App eine Fülle für die betreffende Kommune relevanter Informationen abgerufen werden und sie bietet ihren Nutzer einen Link, über den sie im Bedarfsfall Notrufe absetzen können.
Wie genau verwenden Polizisten und Bürger die App?
Der Nutzer muss die App zunächst von Google Play oder aus dem App Store herunterladen und anschließend Land, Stadt und Sprache wählen. Er erhält dann eine intuitiv bedienbare Benutzeroberfläche, über die er auf abonnierte Benachrichtigungen zugreifen, neue Meldungen absenden oder ältere nochmals anzeigen lassen kann. Auch Informationen wichtiger Einrichtungen wie Polizei- oder Feuerwehrdienststellen oder Krankenhäuser können aufgerufen werden. Um den Meldevorgang zu beschleunigen, können Nutzer sich mit ihren persönlichen Daten registrieren und ihren Standort freigeben (was in einigen Kommunen Pflicht ist). Auch für den Fall eines Notfalls kann dies sinnvoll sein. Diese Daten können jederzeit gelöscht oder bearbeitet werden.
Das Dashboard, auf das Polizeimitarbeiter über das Internet zugreifen, bietet mehrere zentrale Features, wobei die wichtigsten die Funktion zur Erstellung, Priorisierung und Verwaltung von Benachrichtigungen sowie die zur Verwaltung – und Beantwortung – von Meldungen der Bürger sind. Die Standorte, auf die sich Benachrichtigungen, Meldungen und Notfallmeldungen beziehen, sind auf einer Karte auf dem Dashboard abgebildet und können zur Erstellung von Berichten für Verwaltungs- oder Auditingzwecke exportiert werden. Das Dashboard ist einfach und intuitiv bedienbar und erfordert nur eine geringe Einarbeitung.
Welche Absatzzahlen erhoffen Sie sich für die App?
Am wichtigsten ist, dass die Menschen, die die App bereits nutzen, sprich die Teilnehmer unseres Projekts und andere Erstanwender, die maßgeblich zum Erfolg unseres Projekts beigetragen haben, nahtlos zur neuen Version wechseln können. Wir möchten sicherstellen, dass die neue App zum Abschluss des Projekts der alten, die für Bürger wie Polizei ein Erfolg war, in nichts nachsteht.
Außerdem werden wir vor Abschluss des Projekts eine Struktur geschaffen haben, die weiteren Organisationen und Kommunen die Einführung von CITYCOP ermöglicht. Zu dieser wird auch eine Toolbox gehören, in der all unsere Forschungsergebnisse zusammengefasst sind und die damit einen Rahmen zur Umsetzung und Prüfung bewährter Praktiken bietet.
Was möchten Sie bis zum Ende des Projekts noch erreichen?
Derzeit erproben wir die App in Bukarest, Florenz, Lissabon, Dublin und Kildare. Vor Abschluss des Projekts werden wir die Ergebnisse dieser Testläufe für die Präsentation bei unserer Abschlusskonferenz im April 2018 in Florenz aufbereiten.
Bei dieser Konferenz wollen wir nicht nur auf die Arbeiten an CITYCOP zurückblicken, sie steht auch Bürgern und Strafverfolgungsbehörden aus ganz Europa offen und dient der Präsentation unserer Arbeiten und der Aufklärung Interessierter über die Funktionen der App.
CITYCOP
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