Quantifizierung der Unsicherheit in Strukturmodellen für seismische Aktivitäten
Um Häuser besser gegen Erdbeben zu rüsten und im Falle eines Erdbebens besser reagieren zu können, bedarf es mathematischer Modelle, dank derer die Einsturzgefahr eines Gebäudes aufgrund eines Erdbebens zuverlässig vorhergesagt werden kann. Neue Methoden, mit denen die typischen Defizite dieser Modelle präziser bestimmt werden können, werden Ingenieure und politische Entscheidungsträger unterstützen.
Ingenieure gehen grundsätzlich davon aus, dass Gebäude inelastisch auf
ein Erdbeben reagieren, das heißt, die Gebäude nehmen einen Teil der
seismischen Energie auf, ohne diese wieder abzugeben. In den meisten
Fällen bleibt es schwierig, zuverlässige Prognosen zur Stärke der
inelastischen seismischen Reaktion abzugeben. Dies liegt einerseits an
der immerwährenden Unsicherheit, die mit physikalischen Systemen
einhergeht, und andererseits am unzureichenden Wissen zu jenen
irreversiblen Mechanismen, die durch ein Erdbeben in Gang gesetzt
werden.
Die Teilnehmer des EU-finanzierten Projekts NOUS (Probabilistic inverse models for assessing the predictive accuracy of inelastic seismic numerical analyses) verfolgen einen innovativen Ansatz zur Auswertung von in numerischen Analysen inelastischer seismischer Reaktionen auftretenden Modellierungsunsicherheiten . Dieser Ansatz beruht auf probabilistischen Modellen zur Beschreibung inverser Probleme. Bei einem inversen Problem können die aus indirekten Beobachtungen oder aus Methoden wie den Monte-Carlo-Simulationen gewonnenen Daten zur Schätzung der unbekannten Kenngrößen eines physikalischen Systems verwendet werden.
Die Forscher entwickelten ein probabilistisches nichtlineares Strukturmodell, welches auf seine Tauglichkeit getestet wurde, indem Berechnungen für eine rahmenförmige Struktur aus verstärktem Beton, die auf einem bebenden Tisch aufgestellt wurde, durchgeführt wurden. Durch Wahrscheinlichkeitsverteilungen werden die Unsicherheiten in Bezug auf Modellparameter und Ergebnisse beschrieben.
Ein für die Verbesserung der Unsicherheitsanalyse wesentlicher Schritt war die Berücksichtigung der Dämpfungsstärke bzw. der Diskrepanzen bei der numerischen Analyse inelastischer seismischer Reaktionen, womit sichergestellt werden sollte, dass die Simulationen auf Basis von Beispieldaten präzise Prognosen ergeben. Die Projektteilnehmer gehen davon aus, dass die Unsicherheiten des Modells auf diesen Diskrepanzen basieren.
Wissenschaftler setzten Monte-Carlo-Simulationen in Markov-Ketten ein (das heißt, es wurden zahlreiche Testläufe auf Basis unterschiedlicher Daten durchgeführt), um so die Modellparameter zu bestimmen, bei deren gemeinsamem Auftreten die entstehenden Dämpfungskräfte am geringsten sind. Dadurch soll das probabilistische inverse Problem gelöst werden.
Die so errechnete Diskrepanz wird zur Bestimmung der Modellunsicherheit herangezogen. Mit weiteren Modellen, welche auf stochastischen numerischen Multiskalen-Methoden beruhen, wird die Materialdämpfung simuliert, um so weitere Erkenntnisse zum physikalischen Phänomen der Dämpfung zu erhalten.
Die im Rahmen des NOUS-Projekts entwickelten Tools ermöglichen es, die Genauigkeit von Prognosen zu bewerten, die mit den numerischen Modellen erstellt wurden, die zur Simulation der Reaktion nicht-linearer Gebäudestrukturen in erdbebengefährdeten Regionen auf die Einwirkung seismischer Aktivität verwendet wurden. Dank dieser Tools können die Risikomanagementmethoden in Bezug auf seismische Aktivität verbessert werden. Auf diese Methoden wiederum werden Ingenieure beim Entwurf oder der Nachrüstung von Gebäuden, Versicherungsunternehmen bei der Ausarbeitung ihrer Beitragssätze und Kriseninterventionsteams zur besseren Durchführung ihrer Rettungseinsätze zurückgreifen.
veröffentlicht: 2015-10-21