Mit Nierentransplantationen können
schwere Komplikationen einhergehen. Falls innerhalb der ersten sieben
Tage nach der Transplantation eine Dialyse notwendig ist, dann liegt bei
dem transplantierten Organ eine verzögerte Funktion des Transplantats
(Delayed Graft Function, DGF) vor, das heißt, das Organ wird vom
Immunsystem des Körpers abgestoßen. Das DGF-Risiko steigt umso mehr, je
länger die Blutversorgung der Niere unterbrochen wurde.
Da es derzeit keine spezielle DGF-Behandlung gibt, wurde im Rahmen
eines von der EU finanzierten Projekts mit dem Titel MABSOT ein neues
Medikament entwickelt – OPN-305. Dieses kann sowohl das Auftreten als
auch die Intensität dieses Leidens verringern. Das im September 2014
abgeschlossene Projekt könnte sicherere und effektivere Operationen und
somit Patienten ein gesünderes Leben ermöglichen.
OPN-305 wurde versuchsweise Patienten verabreicht, die sich einer
Nierentransplantation unterziehen mussten. Antikörper – Proteine in
unserem Körper, die sich an Objekte haften, welche das Immunsystem nicht
erkennen kann– lösen im Kontakt mit transplantierten Organen mitunter
Abstoßungsreaktionen aus. Falls spezifische Proteine, die
TLR2-Rezeptoren, infolge einer neu transplantierten Niere eine
Entzündung auslösen, kann das zu einer verzögerten Funktion des
Transplantats führen. Von dieser schwerwiegenden Komplikation sind mehr
als die Hälfte aller Patienten betroffen, die Nieren von verstorbenen
Spendern erhalten.
OPN-305 lokalisiert diese natürlich auftretenden Proteine, die
entzündliche Reaktionen auslösen, die letztlich eine natürliche Reaktion
des Körpers bei Verletzungen oder Infektionen darstellen. Indem die
TLR2-Rezeptoren blockiert werden, hilft OPN-305 dabei, die Reaktion des
Immunsystems auf das transplantierte Organ zu unterdrücken und dadurch
eine verzögerte Funktion des Transplantats zu verhindern. Die ersten
klinische Versuche, die in 50 medizinischen Einrichtungen in den USA und
Europa durchgeführt wurden und an denen 270 Patienten beteiligt waren,
haben gezeigt, dass das Medikament sicher ist.
Abgesehen davon, dass das MABSOT-Projekt erhebliche Vorteile für
Patienten bietet, wird außerdem die europäische Pharmaindustrie
angekurbelt. Die Entwicklung neuer Medikamente kann zeitaufwändig und
äußerst kostenintensiv sein. Aus diesem Grund ist es wichtig zu
erwähnen, dass OPN-305 von den Regulierungsbehörden als
Orphan-Arzneimittel eingestuft wurde. Dies bedeutet, dass die Entwickler
von mehreren Anreizen profitieren werden. Hierzu zählen unter anderem
wissenschaftliche Beratungsleistungen und Marktexklusivität, sobald das
Medikament auf dem Markt ist.
Um als Orphan-Arzneimittel eingestuft zu werden, muss das Medikament
auf die Behandlung, Prävention oder Diagnose einer lebensbedrohlichen
oder chronischen Krankheit ausgerichtet sein. Außerdem muss es eher
unwahrscheinlich sein, dass die Erträge durch die Vermarktung des
Medikaments die Entwicklungskosten rechtfertigen werden. Kurz gesagt:
das Medikament muss auf die Behandlung einer ziemlich seltenen Krankheit
ausgerichtet sein.
Medizinische Anwendungen werden vom Europäischen Ausschuss für
Arzneimittel gegen seltene Krankheiten (Committee for Orphan Medicinal
Products, COMP) der Europäischen Arzneimittel-Agentur unter Hinzuziehung
eines Expertengremiums untersucht, das im Rahmen des Ausschusses
gebildet wurde.
Die schnelle Genehmigung hatte zur Folge, dass das MABSOT-Team den
Entwicklungsprozess schneller anpacken konnte, als dies ohne ein
Ausweisen des Medikaments als Orphan-Arzneimittel möglich gewesen wäre.
Des Weiteren könnte das Medikament ebenfalls bei Transplantationen
anderer Organe wie der Lunge, dem Herzen oder der Bauchspeicheldrüse
oder gar bei gänzlich anderen Krankheiten wie Krebs und rheumatischer
Arthritis angewandt werden. Das MABSOT-Projekt wurde mit beinahe 6
Millionen EUR an EU-Geldern bezuschusst und von dem irischen Unternehmen
Opsona Therapeutics koordiniert.
Weitere Informationen sind abrufbar unter:
http://www.mabsot.eu/