Qualifikationen für den Arbeitsplatz im Spiel erlernt

Im aktuellen wirtschaftlichen Umfeld sind hoch qualifizierte, produktive und effiziente Mitarbeiter die besten Vermögenswerte eines Unternehmens. Aber die Mitarbeiter auf Höchstleistung zu halten und ihnen neue Fähigkeiten beizubringen, erfordert effektives lebenslanges Lernen. Nun entwickeln Forscher mithilfe einer EU-Finanzhilfe einen technologiegestützten Ansatz für das Lernen, der Elemente aus seriösen Spielen und Lerntheorien miteinander verbindet.

Schulungen, Seminare und Kurse am Arbeitsplatz werden heute von Organisationen aller Größen eingesetzt, welche die Fähigkeiten ihrer Mitarbeiter entwickeln und Kompetenz für die Ausführung verschiedener Aufgaben aufbauen wollen. Viele konzentrieren sich auf die Senkung der sogenannten "Zeit bis zur Kompetenzerreichung" (Time to competence, TTC), das ist die Zeit, die ein Mitarbeiter braucht, um eine bestimmte Rolle zu beherrschen. Um diese Zeit zu verkürzen, werden vor allem maßgeschneiderte persönliche oder gemischte Kurse eingesetzt, die zu einer gewissen Ressourcenintensivität neigen - die Erarbeitung und Durchführung dieser Kurse kosten Geld und Zeit und die Mitarbeiter müssen sich oft von der Arbeit freistellen lassen, um sie zu besuchen. Darüber hinaus ist allgemein anerkannt, dass das Lernen im Klassenverband weniger effektiv und ansprechend ist als eine praxisorientierte, interaktive Methode.

"Wenn man im Idealfall versucht, jemanden zu einem Projektmanager auszubilden, dann muss man ihm die Erfahrungen eines Projektmanagers geben, sodass er sich die Fähigkeiten dazu praktisch aneignen kann. Allerdings ist es für ein Unternehmen riskant und potentiell sehr teuer, eine Person ohne richtige Ausbildung auf einen solchen Posten zu setzen, da diese Fehler machen oder auch nicht effektiv sein könnte", sagt Dr. Hans Torvatn, leitender Wissenschaftler am Institut für Technologie und Gesellschaft (SINTEF) in Norwegen.

Doch was wäre, wenn jemand die Rolle eines Projektmanagers übernehmen, sich den Herausforderungen der Positionen stellen, Fehler machen, aus diesen lernen und es erneut versuchen könnte?

Dieser Gedanke steht hinter einem Projekt, das von Dr. Torvatn gemanagt wird, um einen spielbasierten Ansatz für die Schulung mithilfe virtueller Umgebungen und Simulationen zu entwickeln, um Mitarbeitern schnell und kostengünstig neue Fähigkeiten beizubringen. Das Projekt "Transformative, adaptive, responsive and engaging environment" (TARGET) konzentrierte sich auf Methoden und Werkzeuge für eine kostengünstige dynamische Kompetenzentwicklung mit flexiblen Lernumgebungen unterschiedlicher Komplexität und Langlebigkeit. TARGET steht ein Budget von 9,4 Mio. EUR zu Verfügung, davon 6,8 Mio. EUR von der Europäischen Kommission. Das Konsortium umfasst 15 Partner aus 11 europäischen Ländern.

Obwohl Spiele, virtuelle Realität und Simulationen bereits etablierte Schulungswerkzeuge sind, wurden sie bisher meist nur für das Erlernen spezifischer technischer Fähigkeiten oder zur Verbesserung bestehender durch Übung eingesetzt.

"Zum Beispiel gibt es Ausbildungssimulatoren für Ärzte zur Durchführung von Operationen, mit denen diese ihre Geschicklichkeit verbessern können, oder für Ressourcenmanager, um die Planung zu üben. Doch bei TARGET konzentrieren wir uns auf sogenannte "Soft Skills" oder höhere kognitive Fähigkeiten, also auf Dinge wie Verhandlungen, Vertrauensbildung, Führungsfähigkeiten und Kommunikation", erklärt der Projektleiter. "TARGET baut auf modernen Ansätzen der Pädagogik und des Lernens auf, vor allem auf Vorstellungen zu personalisiertem Lernen und zu Lernplänen, bei denen Schwellenkonzepte eine wichtige Rolle spielen. Man kann das Schwellenkonzept als eine Art Tor zu einem bestimmten Wissensbereich verstehen, das, wenn dieser einmal gemeistert wurde, zu neuem Wissen führt, da das Verständnis der Personerweitert wird und sie lernt, wie ein Praktiker zu denken."

Der Ansatz berücksichtigt mehrere wichtige Lernherausforderungen, dazu gehört auch, dass jeder Lernende ein einzigartiger Mensch ist, der mit unterschiedlichen kognitiven Fähigkeiten, emotionaler Intelligenz, Persönlichkeit, Wissen und Erfahrung ausgestattet ist. Daher, sagt Dr. Torvatn, sei es nicht möglich, eine einzelne Lösung zu entwickeln, die auf alle Lernenden zu geschnitten ist, sondern es sei notwendig, die Individualisierung der Masse zu unterstützen. Die Probleme werden dadurch verstärkt, dass die Fähigkeit zum Umgang mit unvorhergesehenen Ereignissen beibehalten werden muss, was bedeutet, dass zumindest einige der Lernenden / Manager in einer Organisation, neue Formen des Verständnisses und die Fähigkeit, aus unterschiedlichen Perspektiven heraus Dinge betrachten zu können, erlernen müssen.

Für die Weiterzubildenden beginnt der Lernprozess mit der Anmeldung bei der TARGET-Plattform, wo sie sich einer Analyse unterziehen, um ihre Lernziele zu bestimmen und einen persönlichen Lernplan zusammenzustellen. Ihnen wird dann eine Reihe verschiedener Geschichten oder Szenarien zur Auswahl angeboten, in denen sie jeweils eine bestimmte Rolle einnehmen, die sie als Avatar in einer virtuellen Umgebung spielen. Das Team hat bis jetzt drei Szenarien entwickelt: "Stakeholder Management" (SM), "nachhaltige globale Fertigung" (SGM) und "sozialer Architekt " (SA) - im Rahmen derer das System mit Studierenden aus den Bereichen Ingenieurwissenschaften, Projektmanagement und Business-School-Studenten ausgewertet wurde.

Was möchten Sie heute lernen?

Wenn ein Mitarbeiter etwa zwischenmenschliche Fähigkeiten entwickeln soll, um Geschäfte in einem hochdynamischen, komplexen und anspruchsvollen sozialen Umfeld zu führen, so könnte er etwa durch die Rolle des Managers eines Energieunternehmens geführt werden, der mit einem Bürgermeister, einem Landwirt und einem Umwelt-Aktivisten über den Bau eines Windparks diskutiert.

Wenn Führungsqualitäten entwickelt und Erfahrung im Management multikultureller Geschäftsbeziehungen aufgebaut werden sollen, dann könnte er die Rolle eines Managers übernehmen, der das Team für ein neues Projekt zusammenstellen soll.

Oder wenn ein langfristig kritisches und strategisches Denkvermögen herausgebildet werden soll, dann kann er die Rolle eines Nachhaltigkeitsmanagers spielen, der eine nachhaltige globale Produktionsstrategie für ein mittelständisches Unternehmen ausarbeiten soll, in dem der Geschäftsführer die Strategie unterstützt, aber die anderen Stakeholder nicht.

"Im Rahmen der Gesamtauswertung wurden die drei Szenarien in Studien von verschiedenen Projektpartnern ausgewertet, an denen mehr als 60 Teilnehmer in ganz Europa mitwirkten. Doch offenbar hängen viele verschiedene Szenarien möglicherweise von den Bedürfnissen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer ab", so Dr. Torvatn. "Die Schulung, die sie erhalten, ist interaktiv, fesselnd und sehr individuell auf ihre Anforderungen ausgerichtet, je nach den Fähigkeiten, die sie für die Arbeit, die sie ausführen wollen, entwickeln müssen."

In jedem Spiel können die Rollen und Haltungen der verschiedenen "Nicht-Spieler-Charaktere (Non-player characters, NPC) zusammen mit anderen Faktoren dynamisch verändert werden, um die spezifischen Anforderungen zu erfüllen - etwa konfrontationsfreudiger zu werden oder innerhalb eines Projektes Aufgaben zu verzögern. Ein sogenannter Kompetenzleistungsanalysator ("Competence Performance Analyzer", CPA) betrachtet die Leistung jedes Spielers während des Spiels und bewertet sie nach den verschiedenen Fähigkeiten. Wenn die Sitzung beendet ist, gibt der CPA ein visuelles Feedback in Form eines Videos zu dem, was der Spieler geleistet hat. Hierbei werden die Punkte auf einer Zeitachse aufgelistet, was die notwendige Reflexion für das Lernen unterstützt. Die Spieler können sich auch mit anderen Teilnehmern in einer virtuellen sozialen "Lounge" treffen und Erfahrungen austauschen.

"Die Spieler können die Spiele so oft spielen, wie sie wollen. Sie können verschiedene Strategien ausprobieren, Fehler machen, über diese nachdenken und aus ihnen lernen. Auf diese Weise lernen sie aus der Erfahrung - denn Übung macht den Meister", so Dr. Torvatn.

Das Hauptproblem, welches das TARGET-Team überwinden musste, war, Lerntheorien in Modellen umzusetzen, anhand derer Softwareentwickler die verschiedenen Komponenten entwickeln und diese dann in ein Gesamtsystem integrieren konnten. Es gab auch andere technologische Herausforderungen, wie die Aktivierung des Dialogs zwischen Spielern und NPC sowie die Personalisierung von Geschichten, die auf die individuellen Lernbedürfnisse zugeschnitten sind.

"Das System ist ein Prototyp und einige Funktionen müssen zweifellos noch überarbeitet werden", erläutert Dr. Torvatn. "Allerdings gibt es ein großes Interesse an der Plattform, vor allem im Hinblick auf die Reduzierung der Zeit zur Kompetenzerreichung für Wissensarbeiter, zumal der Einsatz von virtueller Realität und Spielen weniger kostenintensiv und zeitaufwändig ist als die Konzipierung von personalisierten Schulungsprogrammen."

Einige der Projektpartner wollen die Arbeit an der Plattform nach Projektende nun weiterführen und das Team ist daran interessiert, diese Technologie kommerziell zu nutzen, um Spielszenarien für Unternehmen zu entwerfen und um Mitarbeiter zu schulen, damit sie ihren spezifischen geschäftlichen Anforderungen gerecht werden.

"In Zukunft wird sich dieser Ansatz für Schulung und Qualifizierung wahrscheinlich weiter verbreiten. Gerade die jüngere Generation der Arbeitnehmer und jene, die jetzt auf den Arbeitsmarkt drängen, spielen Spiele und sind an diese Art des Lernens gewöhnt. Sie werden diese Art der interaktiven, personalisierten Schulung nicht nur brauchen, sondern werden diese sogar verlangen", so der Projektmanager von TARGET.

TARGET erhielt Forschungsmittel aus dem Siebten Rahmenprogramm der Europäischen Union (RP7).

Links zu Projekten auf CORDIS:

- RP7 auf CORDIS
- TARGET Projektdatenblatt auf CORDIS

Link zur Projekt-Website:

- Webseite von "Transformative, adaptive, responsive and engaging environment"

Weitere Links:

- Website der Europäischen Kommission zur Digitalen Agenda

veröffentlicht: 2015-01-20
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