Die moderne Gesellschaft ist bezüglich der Aufrechterhaltung der Lebensqualität und der Wirtschaftsaktivitäten stark von industriellen chemischen Produkten abhängig. Die konventionelle Verfahrensweise zur Umwandlung von Rohstoffen in Arzneimittel bis hin zu Kunststoffen gestaltet sich typischerweise energieintensiv und beinhaltet hohe Temperaturen, welche häufig dafür sorgen, dass diese ineffizient ist. Bei dem Verfahren werden außerdem gefährliche Stoffe (wie korrosive Chemikalien und toxische Metalle) eingesetzt und es entstehen schädliche Abfälle.
In der Natur hingegen finden routinemäßig effiziente und nachhaltige chemische Umwandlungsprozesse statt. Enzyme, als natürliche Katalysatoren, ermöglichen es photosynthetischen Organismen (wie Pflanzen) aufgefangenes CO2 in Zucker umzuwandeln, der daraufhin für verschiedene Produkte und Prozesse als Baustein und Energielieferant fungiert. Der Ausgangspunkt für das EU-finanzierte Projekt CARBAZYMES war es, zu erforschen, wie die Fähigkeiten der Natur für eine Produktion mit hoher Geschwindigkeit, Präzision und Effizienz unter milden Reaktionsbedingungen genutzt werden können, um eine umweltfreundlichere Chemie zu erreichen.
Das „Tal des Todes“ vom Labor zur industriellen Produktion im großen Maßstab überwinden
Um für die biokatalytische Kohlenstoff-Kohlenstoff-Bindungsbildung, die für die industrielle organische Synthese von zentraler Bedeutung ist, im großen Maßstab eine Innovation zu bewirken, mussten im Zuge von CARBAZYMES zunächst wichtige Hürden genommen werden. Diese bestanden hauptsächlich darin, eine Bibliothek mit robusten Enzymen zu finden, die für eine Vielzahl von Reaktionen in Kombination mit langen Entwicklungszeiten geeignet sind.
Das Team erzielte über die Gestaltung ausgefeilter Instrumente zur Identifizierung und Entwicklung einer umfassenden Toolbox von C-C-bindungsbildenden Enzymen mit verbesserten Eigenschaften, die nachhaltigen industriellen Prozessen zuträglicher sind, signifikante Fortschritte. Im Rahmen von CARBAZYMES wird über eine Reihe von vier chiralen Feinchemikalien und drei Bulkchemikalien an einer biokatalytischen Synthese verschiedener Stoffverbindungen gearbeitet, die als passend für die Marktanforderungen identifiziert worden sind. Im Zuge des Projekts wurden zudem Bioinformatik-Tools für das Data-Mining, Tests für eine Reaktionsanalyse mit hohem Durchsatz, eine Proteinstruktur-Modellierung sowie schnelle Protokolle für die Mutagenese und Stabilisierung von Enzymen erstellt. Ferner wurde die Mikroreaktionstechnik für die Bioprozessbeschreibung und für die fortschrittliche Reaktionsgestaltung eingerichtet.
Bis dato wurden im Rahmen des Projekts bereits eine Bibliothek mit vielversprechenden Enzymen zusammengestellt und deren Reaktionen auf die katalytische Tauglichkeit hin getestet. Hierzu zählten Enzyme, die aufgrund von In-vitro-Evolution und Hochdurchsatz-Screening verbesserte Eigenschaften aufweisen und in dem Projekt als „Mutantenenzyme“ bezeichnet werden. Tatsächlich enthüllte Projektkoordinator Prof. Wolf-Dieter Fessner vor Kurzem in
einem Interview, dass ein Kollege bereits ein Enzym entdeckt und einen Katalysator entwickelt hätte, der den industriellen Anforderungen nahe komme.
Fessner erinnert sich: „Selbst ich, mit meiner ganzen Erfahrung, dachte, dies sei aufgrund der hohen Reaktivität der Bestandteile eine echte Herausforderung. Wir haben bereits ein Patent eingereicht – das ist, so meine ich, in Anbetracht der kurzen Laufzeit des Projekts ein großer Erfolg. Ich finde das einfach wunderbar!“
Biotechnologie-Vorteile
Aufgrund der im Zuge von CARBAZYMES entwickelten großskaligen C-C-Bindungsinnovationen für natürliche Enzymkatalysatoren entstehen mehrere Vorteile. Auf ökonomischer Ebene wird ein Beitrag für höhere Produktionseffizienzen geleistet, der für industrielle Partner die Möglichkeit zur Entwicklung von Großanlagen bietet. Es wird außerdem neues geistiges Eigentum geschaffen und Unterstützung bei der Ankurbelung des Beschäftigungswachstums geleistet. All dies sorgt für eine größere Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Chemieindustrie auf einem Milliarden Euro schweren Markt.
Die entstehenden Biokatalysatoren werden zudem Möglichkeiten für die weitere Synthese zahlreicher wertvoller Produkte schaffen, die großes Potenzial für die Verringerung der Emissionen, des Energieverbrauchs und des Giftmülls bieten. Laut Prof. Fessner gilt es „zu bedenken, dass Milliarden Tonnen an Bulkchemikalien produziert werden und dass sich die Möglichkeit für eine umweltfreundlichere Gestaltung dieser Prozesse definitiv auf unseren Planeten auswirken wird. Und dies ist nur der Anfang.“ Das Projekt zielt sogar auf das Recycling organischer Rückstände in Komponenten für die chemische Industrie ab.
Weitere Informationen erhalten Sie unter:
Projekt-Webseite