Wissenschaft im Trend: Der neue Kontinent Zealandia
Das Jahr 2017 begann mit damit, dass eine Struktur des menschlichen Körpers als neues Organ eingestuft wurde. Nun wurde festgestellt, dass die Erde (wahrscheinlich) über einen achten Kontinent verfügt. In einer neuen wissenschaftlichen Arbeit, die in der Fachzeitschrift der Geological Society of America veröffentlicht wurde, argumentierte ein Forscherteam, dass ein riesiger, durchgängiger Abschnitt der Erdkruste, dessen Zentrum sich in Neuseeland befindet, sich so deutlich von seiner Umgebung abhebt, dass er als eigener Kontinent eingestuft werden könnte.
Unter der Wasseroberfläche des südwestlichen Pazifik liegt der Kontinent Zealandia. Neuseeland ist der Bereich, in dem die Landmasse am weitesten aus dem Ozean hervortritt, doch auch einige vereinzelte Inseln zählen zu Zealandia. Geographisch wurden diese Inseln nie dem australischen Kontinent zugerechnet (obwohl Australien, Neuseeland und die südwestpazifischen Inseln oft unter der Bezeichnung „Australasien“ oder „Ozeanien“ zusammengefasst werden), weshalb die Autoren der Arbeit argumentieren, dass sie tatsächlich einen Teil eines achten, völlig neuen Kontinents bilden, der auch als solcher eingestuft werden sollte.
Sollte sich die wissenschaftliche Gemeinschaft darauf einigen, Zealandia als achten Kontinent zu klassifizieren, würde es sich bei diesem um den kleinsten aller Erdteile handeln. (Der Autor dieses Artikels lernte in der Schule, dass Europa und Asien sowie Nord- und Südamerika als einzelne Kontinente gelten, sodass derzeit sieben an der Zahl existieren, doch in anderen Ländern sind teilweise andere Zählweisen vorherrschend, nach denen Zealandia erst den sechsten oder siebten Kontinent darstellen würde.)
Zealandia beläuft sich auf beinahe 5 Mio. Quadratkilometer und ist damit etwa so groß wie der indische Subkontinent oder halb so groß wie die USA oder Kanada, jedoch liegen nur etwa 5 % seiner Fläche über Wasser. Neuseeland, Neukaledonien, die Norfolkinsel, die Lord-Howe-Inselgruppe sowie das Elizabeth-Riff und das Middleton-Riff zählen zu Zealandia, und mit Ausnahme der Riffe sind alle dieser Orte besiedelt.
Neuseeland ist zwar 2 500 km vom seinem nächsten Nachbarn Australien entfernt, unter Wasser reicht Zealandia allerdings deutlich näher an die Nordostküste Australiens heran, ohne mit dieser verbunden zu sein. Zealandias Westspitze liegt nur wenige hundert Kilometer von Queensland entfernt und ist vermutlich ein Bruchstück von Gondwana, der gigantischen Landmasse, die vor 60 bis 85 Millionen Jahren im Pazifik versank und zu der auch Australien gehörte.
Die Wissenschaftler erörtern in ihrer Studie, dass eine Landmasse vier Kriterien erfüllen muss, damit sie als Kontinent anerkannt wird. Erstens muss sie höher als die sie umgebende ozeanische Erdkruste liegen; zweitens muss sie sich aus einer Vielfalt von Vulkan-, Metamorph- und Sedimentgesteinen zusammensetzen; zudem muss die Landmasse eine dickere Kruste und eine geringere seismische Geschwindigkeit aufweisen; und abschließend muss sie einen ausreichend großen Bereich mit deutlich erkennbaren Grenzen umfassen, um als Kontinent und nicht als Mikrokontinent oder Bruchstück eines Kontinents zu gelten.
Die Forscher merken an, dass Zealandia die ersten drei Kriterien erfüllt und zudem eine 4,9 Millionen Quadratkilometer große Landmasse mit klar erkennbaren Grenzen darstellt, sodass sie als Kontinent anerkannt werden sollte.
„Auch wenn es unter Wasser liegt, reden wir hier über ein ziemlich großes Stück Erde“, sagte Nick Mortimer, ein neuseeländischer Geologe und Koautor der wissenschaftlichen Arbeit. Wie er berichtete, hätten er und andere Wissenschaftler mit der Veröffentlichung einer bathymetrischen Karte im Jahr 2002 begonnen, den überfluteten Kontinent zu untersuchen. „Und da ist der Groschen dann gefallen … von da an war die Karte in gewisser Weise eine Schatzkarte, die uns an die vier am weitesten außen gelegenen Punkte von Zealandia führte, um dort Gesteinsproben zu sammeln und geologische Belege zu sichern.“
Obwohl sie für Geologen von höchstem Interesse ist, wird sich die Einstufung von Zealandia als eigenständiger Kontinent nicht auf die geopolitische Lage der Region auswirken. Beispielsweise könnte Neuseeland keine neuen Gebietsansprüche stellen, da die Seegrenzen zwischen den Ländern dieses Gebiets schon vor langer Zeit festgelegt wurden.
Dennoch wird es noch einige Zeit dauern, bis Zealandia auf unseren Weltkarten eingezeichnet wird. Nichtsdestotrotz ist Mortimer optimistisch: „Wenn Zealandia seinen Weg in die Popkultur und auf unsere Karten findet, haben wir jede Bestätigung erhalten, die wir uns wünschen.“
veröffentlicht: 2017-02-24