Kugelsternhaufen spielen eine entscheidende Rolle in der stellaren Astrophysik und Kosmologie. Die Untersuchung dieser sphärischen Ansammlungen von Sternen und ihrer Materie bietet Einblicke in verschiedene astrophysikalische Prozesse und Systeme, angefangen beim Sternaufbau, der Sternentwicklung und der Sterndynamik bis hin zur Bildung von Galaxien.
Wissenschaftler des Nationalen Instituts für Astrophysik in Mailand und eine Gruppe von Schülern einer Schule in Saronno stießen in dem gewaltigen Archiv des XMM-Newton-Röntgenobservatoriums der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) auf eine besondere Röntgenquelle. Die Forschung wurde durch das EU-finanzierte Projekt EXTRAS unterstützt. Die Ergebnisse wurden vor Kurzem in der Fachzeitschrift
„Astronomy & Astrophysics“ veröffentlicht.
Sterne können intensive Röntgenausbrüche emittieren. Die XMM-Newton-Mission (X-ray Multi-Mirror, Röntgen-Mehrfachspiegel) wurde 1999 gestartet, um die Röntgenemissionseigenschaften von kosmischen Quellen wie Galaxienhaufen, aktiven Galaxienkernen, Schwarzen Löchern, Neutronensternen und Pulsaren zu untersuchen. Seit fast zwei Jahrzehnten wurde mithilfe des Teleskops von XMM-Newton das Röntgenuniversum erforscht, nach fehlender Materie gesucht und die hellen Zentren von Galaxien analysiert.
In einer
Pressemitteilung der ESA erklärt Andrea De Luca, einer der Wissenschaftler, die für die Koordinierung des Schülerprojekts verantwortlich waren: „Wir haben vor Kurzem den EXTraS-Katalog veröffentlicht, der alle Röntgenquellen – etwa eine halbe Million – umfasst, deren Helligkeit sich, wie von XMM-Newton festgestellt werden konnte, im Laufe der Zeit ändert, und mehrere beobachtete Parameter für jede Quelle auflistet.“ De Luca fügte hinzu: „Der nächste Schritt bestand darin, in diesen riesigen Datensatz einzutauchen und potenziell interessante Quellen zu finden, wobei uns der Gedanke kam, dass dies eine spannende Herausforderung für ein Schülerpraktikum wäre.“
Die Schüler analysierten etwa 200 Röntgenquellen und betrachteten ihre Lichtkurve – einen Graphen, der die Veränderung des Objekts im Laufe der Zeit darstellt, heißt es in der Pressemitteilung. Darüber hinaus überprüften sie auch die wissenschaftliche Literatur, um herauszufinden, ob sie bereits untersucht worden waren oder nicht. Später identifizierten sie eine Handvoll Röntgenquellen mit „interessanten Eigenschaften – wie zum Beispiel einem starken Aufflackern – die noch von keiner anderen Studie erfasst wurden.“
Eine Quelle fiel ihnen dabei besonders auf. Mit der kürzesten Leuchtweite aller analysierten Objekte scheint die Quelle „im Kugelsternhaufen NGC 6540 – einer dichten Gruppierung von Sternen – zu liegen und bisher noch nicht untersucht worden zu sein.“
Röntgenausbrüche
In dem Zeitschriftenartikel schlussfolgerten die Forscher: „Die variable Quelle J1806-27, die sich höchstwahrscheinlich im galaktischen Kugelsternhaufen NGC 6540 befindet, wurde dank der Emission eines kurzen Röntgenausbruchs bei einer systematischen Suche nach Veränderungen in archivischen XMM-Newton-Daten entdeckt.“
Sandro Mereghetti, Hauptautor der Fachzeitschrift, erklärte in der Pressemitteilung: „Dieses Ereignis fordert unser Verständnis von Röntgenausbrüchen heraus, da es zum einen für ein gewöhnliches Sternenflackern zu kurz ist und zum anderen zu schwach ist, um mit einem kompakten Objekt in Verbindung gebracht werden zu können.“ Mereghetti sprach auch davon, dass „die systematische Untersuchung von Veränderungen, die zur Erstellung des EXTraS-Katalogs führte, zusammen mit diesem ersten Anlauf zur Datensuche, nahelegt, dass wir ein neues, unerforschtes Fenster zum Röntgenuniversum geöffnet haben.“
Das Projekt EXTRAS (Exploring the X-ray Transient and variable Sky), das 2017 zu Ende ging, wurde ins Leben gerufen, um variable Quellen im weichen Röntgenbereich zu erforschen und zu charakterisieren. Es umfasste die Analyse zahlreicher Informationen, die von der Europäischen Photonenbildkamera an Bord der XMM-Newton-Mission gesammelt wurden.
Weitere Informationen:
EXTRAS-Projektwebsite