Das auf zehn Jahre angelegte, von der EU teilfinanzierte Flaggschiffprojekt
Graphene Flagship wurde ins Leben gerufen, um das technologische Potenzial von Graphen und verwandten geschichteten Materialien für zukünftige Anwendungen nutzbar zu machen. Die in der Forschung tätigen Mitglieder der Initiative führten kürzlich zwei Experimente durch, um erstmals die Nutzbarkeit von Graphen für Weltraumanwendungen zu beurteilen. Mit den Versuchen, die in Zusammenarbeit mit der
Europäischen Weltraumorganisation (ESA) und anderen Partnern durchgeführt wurden, wurde das Material in der Schwerelosigkeit getestet, wobei Augenmerk auf Lichtantriebe und Wärmemanagement gelegt wurde. Die Ergebnisse fielen sehr vielversprechend aus.
Der Weltraum: Neue Möglichkeiten dank Graphen?
Seine einzigartigen Eigenschaften hinsichtlich Festigkeit, Gewicht, Thermik und Optik machen Graphen zum idealen Kandidaten, um Anwendungen der Luft- und Raumfahrt sowie der Satellitentechnik zu verbessern. Bei einer Reihe von Experimenten, die Ende letzten Jahres durchgeführt wurden, untersuchten Forscher von Graphene Flagship speziell, wie mit dem Material Antriebe von Raumfahrzeugen sowie Wärmemanagementsysteme und Loop-Heatpipes weiterentwickelt werden könnten.
Für die Sonnensegel-Experimente nutzte ein Team von Doktoranden der
niederländischen Technischen Universität Delft den 146 Meter hohen
Fallturm des ZARM, um Mikrogravitation zu erzeugen (die auf bis zu einem Millionstel der Erdschwerkraft reduziert werden kann), um die Anwendung von Graphen für Sonnensegel zu testen. Das Team entwickelte freischwebende Graphenmembranen, die dann mittels Laserstrahlen einem Strahlungsdruck ausgesetzt wurden, um festzustellen, wie sie reagieren und wie viel Schub erzeugt werden kann. Das Team wiederholte das Experiment weitere vier Mal, um anfängliche technische Schwierigkeiten auszuräumen. Beinahe 10 Sekunden Schwerelosigkeit konnten erreicht werden, indem eine Kapsel, die den Versuchsaufbau enthielt, im Vakuum erst nach oben katapultiert wurde und dann nach unten fiel.
Mit dem zweiten Experiment wurde untersucht, wie der Wärmetransport in Loop-Heatpipes (Kühlsystemen, die in Satelliten häufig zum Einsatz kommen) mit Graphen effizienter gestaltet werden kann und wie gleichzeitig eine längere Lebensdauer und mehr Autonomie möglich werden könnte. Bei den metallischen Kanälen innerhalb einer Heatpipe, über die Wärme in eine Flüssigkeit geleitet wird, um das System zu kühlen, wurde die gängige poröse Metallummantelung durch zwei Arten von mit Graphen verwandten Materialien ersetzt. Diese wurden dann während zwei ESA-Parabelflügen mit Mikro- und Hypergravitation auf erhöhte Wärmeleitfähigkeit hin getestet. Während jedes dreistündigen Flugs wurden 30 Parabeln geflogen, wobei in jeder Parabel 25 Sekunden Schwerelosigkeit erreicht wurden.
Die Ergebnisse beider Experimente demonstrieren die Vielseitigkeit von Graphen, und die beteiligten Forscher untersuchen nun eingehender, wie Strahlungsdruck auf Graphen-Sonnensegel wirkt, und entwickeln kommerziell verwertbare graphenbasierte Heatpipes.
Die Zukunft gehört innovativen Menschen und Produkten
Zweidimensionales Graphen, das aus nur ein Atom dicken Kohlenstoffschichten hergestellt wird und dessen Atome in einem Sechseck-Muster angeordnet sind, ist sowohl leicht als auch fest (die Festigkeit soll die von Stahl um das Zweihundertfache übersteigen). Darüber hinaus zeichnet es sich durch hervorragende elektrische, mechanische, thermische und optische Eigenschaften aus und ist beinahe völlig durchsichtig. Diese Eigenschaften machen es für Wissenschaftler und Ingenieure, die sich der Entwicklung schnellerer, dünnerer, stabilerer oder flexiblerer Produkte verschiedenster Art verschrieben haben, zu einem interessanten Material.
Das Potenzial von Graphen nutzbar zu machen, um zahlreiche Industrien zu revolutionieren und Wirtschaftswachstum sowie Arbeitsplätze zu schaffen, ist Ziel der auf zehn Jahre ausgelegten Initiative Graphene Flagship, die auf die gesamte Wertschöpfungskette von Materialien bis hin zu Komponenten und Systemen ausgerichtet ist. Ein Konsortium von Experten aus der akademischen Welt und der Industrie, das 150 Partner aus 23 Ländern umfasst, koordiniert und verfolgt die verschiedenen Forschungsansätze. Die Europäische Kommission leistet direkt mit Geldmitteln, aber auch mit Forschungsergebnissen von EU-finanzierten Projekten wie GRAPHENECORE 1 ihren Beitrag.
Durch die Forschungsergebnisse werden die Bemühungen mit der Zeit in spezifische entwickelbare Anwendungen münden. Ziel der Forschungsinitiative ist auch, Studenten und Nachwuchsforscher auszubilden und mit hochkarätigen Forschungsmöglichkeiten auszustatten.
Weitere Informationen:
Website von Graphene FlagshipVideo „Solar Sails – the Drop“Video „Satellite Loop Heat Pipes – the Flight“