Das im LARA-Projekt entwickelte Gerät soll Arbeitern ermöglichen, „durch den Boden hindurchzusehen“. Dieses Gerät macht von GNSS-Technologie, 3D-GIS-Technologie und Geodatenbanken im Kombination mit Computergrafik und Augmented Reality Gebrauch, um komplexe 3D-Modelle von im Boden verlaufenden Netzwerken darzustellen – sei es von Abwasserrohren, Gasleitungen oder Stromkabeln.
Der potenzielle Nutzen dieser Technologie ist gewaltig: Laut eines Berichts aus dem Jahr 2006 (McMahon et all, 2006) entstehen in den Straßen des Vereinigten Königreichs allein durch Infrastrukturarbeiten jedes Jahr über 1,5 Millionen Löcher, die oft auch zur Beschädigung des Eigentums Dritter führen. Die verbundenen Reparaturarbeiten kosten die britische Gesellschaft insgesamt ca. 5,8 Milliarden EUR, und die Partner von LARA erhoffen sich, diese Zahl wesentlich zu senken.
Wie genau funktioniert das LARA-System?
Konstantinos Smagas: In LARA wird ein System entwickelt, das sich aus Software und Hardware zusammensetzt und letztendlich ermöglichen soll, Geodaten zu unterirdisch verlaufenden Leitungen effektiv zu verwalten. Es vereint mehrere Untermodule – für GNSS, Augmented Reality, 3D-GIS und sowie eine Geodatenbank – in einem integrierten Navigations-/Ortungssystem und Informationssystem für Tablet-Computer.
In der Praxis wird das LARA-System Arbeiter bei ihrer alltäglichen Arbeit leiten: Mit ihm können sie durch den Boden „hindurchsehen“, indem es komplexe 3D-Modelle der unterirdischen Netzwerke darstellt, in denen sich die Leitungen für Gas, Abwasser und Strom ineinander verschränken. So können die Arbeiter die Infrastrukturen im Arbeitsbereich besser im Blick behalten und dokumentieren sowie sicherer mit ihnen arbeiten.
Zuerst definieren sie den Arbeitsbereich in einem GIS-Viewer, um eine visuelle Darstellung der unterirdisch verlaufenden Infrastrukturen und deren Eigenschaften zu erhalten. Anschließend legt die Engine für augmentierte Realität in Echtzeit eine intuitiv verständliche, dreidimensionale Ansicht dieser Infrastrukturen über das Bild der Kamera. Nach Abschluss der Arbeiten können mit demselben Tool schließlich Berichte erstellt und bestehende Infrastrukturkarten aktualisiert werden.
Wie wird dadurch die Produktivität gesteigert?
Wenn die Position unterirdisch verlaufender Versorgungsleitungen in einem Arbeitsbereich vor Aufnahme der Arbeiten genau festgestellt werden kann, eröffnet dies den beteiligten öffentlichen und privaten Unternehmen ganz neue Möglichkeiten. Dank des LARA-Systems werden sie genau wissen, wo welche Leitung liegt, und können die Wartungsarbeiten an ihren eigenen Infrastrukturen somit deutlich effizienter durchführen und sicherstellen, dass benachbarte Leitungen nicht beschädigt werden. Werden die Arbeiten präziser durchgeführt, sinken auch deren Kosten, und die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen der langwierigen Oberflächenarbeiten sowie die Behinderung des Straßenverkehrs und der Fußgänger, die Materialverschwendung, die Arbeitszeit und der Energieaufwand werden minimiert. Auch wird Straßenbild kürzer durch Baustellen gestört, und die Lärmbelästigung wird auf das so gering wie möglich gehalten.
Das Projekt steht kurz vor seinem Abschluss. Was konnten Sie bisher erreichen, und welche Ziele liegen noch vor Ihnen?
Inzwischen haben wir bereits den ersten Prototyp entwickelt und in der griechischen Stadt Kozani getestet, und nun arbeiten alle Teams unter Hochdruck an Verbesserungen und Feinabstimmungen. Wie von uns erwartet sind durch die Anwendung in der Praxis einige technische Probleme ans Licht gekommen. Einige davon konnten sofort behoben werden, andere sollen in den kommenden Wochen gelöst werden.
Insgesamt fielen die Ergebnisse dieses ersten Pilotversuchs jedoch sehr vielversprechend aus und lieferten uns eine Grundlage für weitere Verbesserungen, insbesondere hinsichtlich der Technologie für augmentierte Realität, die sich als sehr beeindruckend erwies. In der letzten Projektphase werden wir, nachdem diese Arbeit abgeschlossen wurde und der finale Prototyp bereit steht, die Geschäftsmodelle definieren und verfeinern, mit denen das LARA-System erfolgreich vermarktet werden soll.
Wie steht es mit dem Pilotversuch in Birmingham?
An beiden Orten wählten wir die Bereiche und Datensätze aus, die in den Pilotversuchen zu verwenden sind. Nun, da der Pilotversuch in Griechenland abgeschlossen wurde, freuen wir uns bereits darauf, das System in den vom Stadtrat von Birmingham festgelegten Bereichen zu erproben, in denen eine Tankstelle für emissionsarme und emissionsneutrale Kraftstoffe errichtet werden soll. In der Zwischenzeit nutzen wir auch kontrollierte Teststellen in den zyprischen Städten Limassol und Nikosia, um täglich Tests durchzuführen. Die Ergebnisse dieser Pilotversuche werden weitere hilfreiche Anhaltspunkte zur Verbesserung der LARA-Plattform liefern.
Wie bildet Galileo eine Schlüsseltechnologie für das LARA-System?
Der LARA-Empfänger ist mit einem hochpräzisen, energieeffizienten GNSS-Empfängermodul mit langer Autonomiezeit ausgestattet, mit dem eine Genauigkeit im Zentimeterbereich erreicht wird. Der Empfänger – der sich aus einem GNSS-Modul, einem IMU-Modul und der grafischen Benutzeroberfläche zusammensetzt – funktioniert in zahlreichen Konstellationen, etwa mit Galileo, EGNOS, GLONASS und BeiDou, doch Galileo kommt zur Steigerung der Genauigkeit, Verfügbarkeit und Integrität besondere Bedeutung zu. Natürlich war eine weitere Verbesserung der Genauigkeit erforderlich, weshalb der Fehler bei der Ortung durch differentielle Korrekturtechnologie (EGNOS, DGNSS und RTK) auf etwa 1 cm gesenkt wird.
Wann wird dieses System kommerziell erhältlich sein?
Die Komplexität, und folglich auch der Wert unserer Lösung, hat sich mit jedem erstellten und getesteten Prototyp immer weiter erhöht. Derzeit besteht unser Ziel darin, bis zum Ende des Projekts das finale Prototypsystem fertigzustellen und ein Produkt herzustellen, dass einer kommerziell verwertbaren Lösung sehr nahe kommt. Unser Vermarktungsteam, das von Hewlett Packard in Spanien geleitet wird, arbeitet derzeit einen Geschäftsplan aus, mit dem bereits ab Ende 2017 eine erfolgreiche Kommerzialisierung stattfinden soll.
Apropos – wie möchten Sie bei den Interessengruppen auf sich aufmerksam machen?
Wir verfolgen das klare Ziel, das System zu vermarkten. Daher haben wir bereits zu Projektbeginn mit der Arbeit an einer aktiven Kommunikationsstrategie begonnen, mit der wir Endnutzer ansprechen möchten. Wir haben an neun wichtigen internationalen Workshops und Demonstrationsveranstaltungen in Europa teilgenommen und eine Veranstaltung in Malaysia mitorganisiert.
Darüber hinaus haben wir eine stabile Beziehung zu den Radaktionen relevanter Fachzeitschriften aufgebaut, in denen wir regelmäßig veröffentlichen, und wir arbeiten zudem an einem Werbevideo für soziale Medien. Unsere wichtigsten Kunden sind öffentliche und private Interessengruppen, die unterirdisch verlaufende Infrastrukturen besitzen oder verwalten und über vollständige und akkurate Daten zu ihren Leitungen verfügen. Unser übergeordnetes Ziel besteht darin, diese Interessengruppen mit einer benutzerfreundlichen, sofort anwendbaren Lösung auszustatten, die sich leicht in ihre alltäglichen Arbeiten und Standardisierungsverfahren einbinden lässt.
LARA
Gefördert unter H2020-Galileo
http://cordis.europa.eu/project/rcn/193818