Seitdem Uber, BlaBlaCar und ähnliche Dienste auch in Europa populär geworden sind, konnten sich die Bürger bereits an GNSS-unterstützte Apps gewöhnen, mit denen sie leichter von A nach B kommen. Etwa zur gleichen Zeit wurden die Europäer auch etwas umweltbewusster, da immer häufiger Fahrradverleihdienste in Anspruch genommen wurden, bei denen Kunden ein Fahrrad an einer entsprechenden Station abholen und es an einer anderen in der Nähe des Zielortes wieder abgeben.
MOTIT vereint nun das Beste beider Welten. Seit dem Jahr 2013 können die Einwohner Barcelonas eine App nutzen, die das Konzept des Web 2.0 aufgreift und einen voll entwickelten Rollerverleihdienst bietet. Dabei wird sogar die Umwelt geschont, denn im Gegensatz zu den meisten Modellen, die einem auf der Straße begegnen, sind die Roller von MOTIT vollständig elektrisch betrieben. Sie werden mit dem Smartphone gestartet, sind mit zwei Helmen ausgestattet und können an praktisch jedem Ort der Stadt abgeholt werden. Kunden müssen sich nicht erst zur nächsten Station begeben bzw. von dort aus zum Ziel laufen – die MOTIT-Roller können an einem beliebigen Ort abgestellt werden, sei es vor dem Arbeitsplatz, der eigenen Wohnung oder dem Lieblingsgeschäft. Anschließend können sie vom nächsten MOTIT-Abonnenten genutzt werden, der ein Fahrzeug sucht.
Was MOTIT bislang jedoch fehlte, war ein präzises System zur Positionsbestimmung, mit dem Kunden einen freien Roller besser finden können als mit GPS.
Hier kommt das Projekt G MOTIT (Galileo-Enhanced MOTIT: an electric scooter sharing service for sustainable urban mobility) ins Spiel. Auf der Suche nach einer realen Anwendung, mit der die Europäische Kommission potenzielle Galileo-Nutzer überzeugen könnte, wurde letztendlich dieses Projekt ins Leben gerufen, da der europäische GNSS-Dienst genau das bot, was MOTIT benötigte, um seine Kunden zufriedenzustellen und in weitere europäische Städte zu expandieren.
Es gibt bereits viele Lösungsansätze, um das hohe Verkehrsaufkommen in großen Städten zu vermindern – warum investierten Sie gerade in MOTIT?
Marti Jofre: Dieser Dienst war insbesondere aus zwei Gründen interessant. Erstens bestand bei MOTIT bereits Bedarf für eine verbesserte Positionsbestimmung, um die Zufriedenheit der Kunden mit dem angebotenen Dienst zu steigern – konkret, indem man sie besser zu ihrem Roller führt. Das war genau das, wonach wir suchten, da die Europäische Kommission die Vorzüge des Galileo-Satellitennavigationssystems für reale Dienste demonstrieren wollte.
Zweitens fanden wir MOTIT sehr innovativ, auch wenn in den vorherigen Monaten bereits ähnliche Dienste an den Start gegangen waren. MOTIT ist in vielerlei Hinsicht innovativ und interessant: Alles läuft über das Smartphone ab, selbst das Starten des Rollers. Außerdem handelt es sich um Elektroroller, die ein angenehmes Fahrgefühl bieten und umweltschonend sind. Sie können wie jedes Privatfahrzeug geparkt werden, ohne dass die Kunden nach speziellen Stationen suchen müssen, wodurch hohe Investitionen in sperrige Ladeinfrastrukturen vermieden werden.
Weitere Innovationen bestanden im Helm, der mit dem Roller zur Verfügung gestellt wird, und zu guter Letzt in dem Umstand, dass Roller in großen Städten ein sehr schnelles Verkehrsmittel darstellen, mit dem Staus umgangen werden können und die sich auch auf längeren Reisen im Anschluss an andere Verkehrsmittel eignen.
Was steht Ihrer Ansicht nach einem größeren Erfolg dieses Geschäftsmodells im Wege?
Tatsächlich besteht neben dem Auffinden des Fahrzeugs für viele Kunden ein Problem mit der Fahrzeugwahl von MOTIT. Einen Roller empfinden manche Reisende in Städten mit hohem Verkehrsaufkommen als vergleichsweise unsicher, doch auch das Wetter spielt eine Rolle: Das Angebot von MOTIT ist in sonnigen Ländern wie etwa im Mittelmeerraum deutlich attraktiver.
Haben Sie hinsichtlich der Leistungsgrenzen der GPS-Technologie zum Auffinden des nächstgelegenen freien Rollers viele negative Rückmeldungen erhalten?
Ja, und dieses Feedback kam sowohl von dem am Projekt beteiligten Anbieter als auch von anderen Anbietern. Manche haben bestimmte Bereiche ihrer Stadt aus ihrem Dienst ausgeschlossen, da die unzuverlässige Positionsbestimmung die Zufriedenheit der Kunden trübte. Dieses Problem besteht vor allem in den engen Straßen alter Stadtteile.
Wie werden diese Probleme mit Ihrem Galileo-Empfänger behoben?
Galileo sorgt in Kombination mit GPS und anderen Satellitennavigationssystemen für eine höhere Verfügbarkeit der Satelliten und ein besseres Signal. Insgesamt erwarten wir, dass seine Anwendung zu einer gesteigerten Verfügbarkeit, Genauigkeit und Zuverlässigkeit der Positionsbestimmung führen wird.
Konkret wurde im Rahmen des Projekts der herkömmliche GPS-Empfänger der MOTIT-Fahrzeuge durch einen Galileo-Empfänger ersetzt, der vollständig in die Elektronik des Rollers integriert ist. G MOTIT war somit kein einfaches Forschungsprojekt zur Entwicklung eines Algorithmus, sondern vielmehr auf die Integration der Technologie und deren Demonstration in einem relevanten Anwendungsfall gerichtet.
Die Testphase in Paris ist gerade angelaufen. Liegen bereits Ergebnisse oder Rückmeldungen vor?
Die Demonstration begann Anfang Dezember. Das Projekt wurde bis März 2017 verlängert, und die Kunden in Paris können bereits von den Verbesserungen profitieren, die durch den neuen Galileo-Empfänger erzielt werden. Für Schlussfolgerungen ist es zwar noch zu früh, in jedem Fall hoffen wir jedoch, dass das neue System nach Abschluss der Testphase auch den Kunden in Barcelona bereitgestellt wird, sobald wir eine Einigung mit dem Betreiber erreichen können.
Wie werden Sie jetzt vorgehen, nun da das Projekt kurz vor seinem Abschluss steht?
Wir möchten die Technologie anderen Unternehmen verkaufen, die ähnliche Dienste anbieten. Anbieter von One-Way-Carsharing könnten ebenfalls an dieser Technologie interessiert sein, genau wie Anbieter anderer Mobility-on-Demand-Dienste wie Ridesharing, Microtransit usw.
G MOTIT
Gefördert unter H2020-Galileo
http://cordis.europa.eu/project/rcn/193832