Turbulenzen zu erfassen ist und bleibt die zentrale Herausforderung für die moderne Luftfahrt, da Berichte, die von Piloten eingereicht werden, oft sehr ungenau sind. Doch da dies die kostengünstigste Methode ist, wird sie häufig genutzt, um deren mögliches Auftreten vorherzusagen.
Eine Gruppe der Fakultät für Physik an der Universität Warschau hat gezeigt, dass es Hinweise darauf gibt, dass Daten, die Piloten die Vermeidung von Turbulenzen und auch deren Vorhersage ermöglichen, bereits routinemäßig und das seit vielen Jahren aufgezeichnet werden. Jacek Kopec, einem Doktoranden an der Fakultät für Physik, ist es gelungen, diese wertvollen Informationen aus den Flugparametern zu gewinnen, die routinemäßig von den in den meisten Verkehrsflugzeugen installierten Transpondern übertragen werden. Besonders vielversprechend ist, dass diese neue Methode zur Detektion von Turbulenzen nicht nur originell, sondern möglicherweise auch sehr leicht durchzuführen ist.
„Die heutigen Flugzeuge fliegen in einer Höhe von 10 bis 15 Kilometern, wo die Temperaturen bei bis zu minus 60 Grad Celsius liegen. Die Bedingungen zur Messung der atmosphärischen Parameter sind sehr schwierig, was erklärt, weshalb solche Messungen nicht auf systematische oder umfassende Weise durchgeführt werden“, kommentierte Kopec. „Ein Mangel an ungenauen und nicht aktuellen Informationen setzt nicht nur das Flugzeug und seine Passagiere Gefahren aus, sondern beschränkt auch die Entwicklung von Theorien und Werkzeugen zur Vorhersage von Turbulenzen.“
Kostenhindernisse überwinden
Derzeit werden die Pilotenberichte (PIREPs) per Funk übertragen und von Fluglotsen an andere Flugzeuge weitergeleitet. Sie sind eine grundlegende Quelle für Turbulenzdaten. Da diese Berichte auf den subjektiven Meinungen der Piloten basieren, strotzen die auf diese Weise gesammelten Daten oft nur vor erheblichen Ungenauigkeiten hinsichtlich des Turbulenzbereichs und seiner Intensität. Genauere Messungen werden von Flugzeugen geliefert, die am Aircraft Meteorological Data Relay-Programm (AMDAR) beteiligt sind. Diese Methode ist jedoch kostspielig, so dass Daten, die auf Flughöhe gesammelt werden, nur selten übertragen werden. In der Praxis verhindert das, dass solche Berichte zur Feststellung und Vorhersage von Turbulenzen verwendet werden.
Passagierflugzeuge sind mit Sensoren ausgestattet, die verschiedene Flugparameter aufzeichnen. Leider werden die meisten Daten nicht öffentlich zur Verfügung gestellt. Öffentlich verfügbare Berichte umfassen nur die hauptsächlichen Basisparameter wie die Position des Flugzeugs (ADS-B-Übertragungen, die auch auf der bekannten Website FlightRadar24 verwendet werden) oder die relative Fluggeschwindigkeit zum Boden und in der Luft (Mode-S-Daten). Doch um Turbulenzen zu entdecken, bedarf es Wissen über die vertikale Beschleunigung des Flugzeugs. „Vertikale Beschleunigungen werden von den Passagieren und dem Flugzeug besonders stark empfunden“, erklärte Kopec. „Leider gibt es keinen Zugang zu Informationen zur vertikalen Beschleunigung. Wir haben beschlossen zu überprüfen, ob wir solche Daten aus anderen Parametern extrahieren können, die in Mode-S und ADS-B-Übertragungen enthalten sind.“
Die Forschungsgruppe testete drei Algorithmen für die Turbulenzerfassung. Der erste gründet auf Informationen über die Position des Flugzeugs (ADS-B-Übertragungen). Doch vorläufige Tests und ihr Vergleich mit den Parametern, die im selben Gebiet vom Forschungsflugzeug aufgezeichnet wurden, brachten keine zufriedenstellenden Ergebnisse. Hinsichtlich der beiden anderen Algorithmen, verwendete jeder einzelne in gewisser Weise die Parameter, die etwa alle 4 Sekunden von Mode-S-Übertragungen empfangen werden. Im zweiten Ansatz wurden die Parameter mithilfe der Standardtheorie für Turbulenzen analysiert. Im dritten Ansatz adaptierten die Wissenschaftler eine Methode zur Ermittlung der Turbulenzintensität, die vorher zur Messung von Turbulenz im sehr kleinen Maßstab in der Unterschicht von Wäldern verwendet wurde.
Sobald die Windgeschwindigkeit in der Nähe des Flugzeugs bestimmt war und deren Veränderungen in aufeinanderfolgenden Ablesungen analysiert wurden, war es möglich, den letzten der beiden theoretischen Ansätze zu verwenden, um Turbulenzbereiche mit einem Fehler von nur 20 km zu lokalisieren. Passagierflugzeuge benötigen etwa 100 Sekunden, um diese Strecke zu durchfliegen, weshalb diese Genauigkeit es den Piloten erlauben würde, ihr Flugzeug zu manövrieren, um die Turbulenz in wirksamer Weise zu vermeiden.
Leicht umzusetzendes System
Durch Ausnutzung vorhandener Daten erfordert dieses System zur Turbulenzerfassung keine wesentlichen Investitionen in die Luftfahrtinfrastruktur. Um betriebsfähig zu sein, sind nur eine geeignete Software und ein Rechner nötig, der auf einfache Weise an die Vorrichtungen angeschlossen ist, die Mode-S-Übertragungen von den Transpondern an Bord des Flugzeugs empfangen. Und diese gehören zur Grundausstattung. Somit dienen Passagierflugzeuge als Sensoren, indem sie ein dichtes Netz von Messpunkten über Europa bilden.
In den kommenden Monaten plant die Forschungsgruppe Verbesserungen der Software. Sie hat aber auch bereits gezeigt, wie diese neue Methode zur Detektierung von Turbulenzen tatsächlich funktioniert. Die Daten für diese Forschung wurden in einer Testflugkampagne gesammelt, die Teil des DELICAT-Projekts war, welches im März 2014 endete. Die Ergebnisse zu diesem neuen System wurden in der Ausgabe Mai 2016 der Fachzeitschrift „Atmospheric Measurement Techniques“ veröffentlicht. Weitere Einzelheiten werden von der Universität Warschau im August 2016 freigegeben.
Weitere Informationen finden Sie auf der:
CORDIS-Projektseite