Atomuhren für die Praxis auf der Erde und im All

EU-finanzierte Forscher sind auf dem besten Weg, transportable optische Uhren mit einer Frequenzinstabilität unterhalb von 1x10-16 und einer fraktionierten Ungenauigkeit von unter 5x10-17 vorlegen zu können. Im Endeffekt wird ihre Leistung um etwa zwei Größenordnungen besser als die stabilsten und genauesten Mikrowellenuhren von heute sein.

Herzstück jeder Uhr ist ein Schwingungsphänomen, das in einem sehr regelmäßigen Intervall auftritt, egal, ob es ein schwingendes Pendel ist oder spannungsgetriebene Schwingungen eines Quarzkristalls sind. Mechanische und elektromechanische Uhren neigen jedoch trotz ihrer genialen Bauweise dazu, anfällig auf Temperaturschwankungen und Alterung zu sein. Überdies hat die zunehmende Notwendigkeit immer genauerer Zeitmessungen Oszillatoren mit höheren Frequenzen erforderlich gemacht.

Atomuhren nutzen die Frequenz der Elektronenübergänge von einem Energiezustand eines Atoms zu einem anderen. Sie stellen in der Normung der Zeit einen revolutionären Schritt nach vorn dar, der durch Fortschritte auf dem Gebiet der Lasertechnik und Quantenoptik möglich wurde. Bei ihnen macht man sich ultrahohe, optische Schwingungsfrequenzen zu Nutze. Optische Atomuhren werden daher Uhren auf Cäsiumbasis (Cs) ersetzen, die auf Mikrowellenfrequenz, d. h. rund 10 Milliarden Mal pro Sekunde "ticken".

Bei sogenannten Atomuhren mit optischem Gitter werden kalte Atome in eine Laserwelle in Form einer stehenden Welle (optisches Gitter) gezogen. In dieser werden tausende Atome gleichzeitig eingeschlossen. Durch Abstimmen des Laserlichtgitters auf eine sorgfältig festgelegte Wellenlänge können seine Wirkungen auf die Elektronenübergänge minimiert werden. Daher sind optische Atomuhren für eine beispiellose Genauigkeit und Stabilität geeignet.

Mit Hilfe der EU-Finanzmittel des Projekts SOC2 wird eine Forschergruppe kritische Komponenten und Untersysteme entwickeln und betreiben, die für ultrapräzise optische Uhren mit Neutral-Atomgitter erforderlich sind, die für Verkehrsanwendungen und letztlich für den Einsatz im Weltall geeignet sind. Die Forscher arbeiten hier mit Ytterbium- (Yb) und Strontiumatomen (Sr).

Die SOC2-Wissenschaftler haben die erforderlichen Laser-Untersysteme entwickelt und sie mit Atom-Untersystemen für Strontium und Ytterbium in komplette Uhrensysteme integriert. Für die Uhr auf Sr-Basis erfanden sie zum Beispiel kompakte und robuste Frequenzstabilisierungs-Subsysteme auf Grundlage optischer Kavitäten, einen Dauermagnet-Atomverlangsamer und eine sehr kompakte Atomkammer. Ihr kompaktes, wenig Strom verbrauchendes System erzeugt regelmäßig ultrakalte Sr-Atome.

Für die Yb-Uhr entwickelten die Wissenschaftler über eine externe Kavität verfügende Diodenlaser mit Schmalbandinterferenzfilter, die im Vergleich zu üblicherweise verwendeten gitterstabilisierten Lasern eine verbesserte Stabilität versprechen. Der erste Prototyp der modularen Vorrichtung ist voll einsatzfähig. Er arbeitet für mehrere, ununterbrochene Betriebsstunden automatisch und stabil. Kürzlich wurde er erfolgreich mit einem Kleintransporter von der Universität Düsseldorf zum italienischen Metrologieinstitut in Torino transportiert, wo er einer eingehenden Charakterisierung unterzogen wird.

Die optischen Atomuhren von SOC2 werden nach Fertigstellung Versuchsdemonstratoren für die Uhren der Zukunft sein, die in weltraumgestützten Experimenten eingesetzt werden, um insbesondere eine genauere Prüfung eines grundlegenden Aspekts von Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie, der Zeitdilatation, vorzunehmen. Ein Weltraumuhr wäre auch nützlich, um auf der Erde ultrastabile Frequenzen bereitzustellen.

veröffentlicht: 2015-08-27
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