Eine der größten Herausforderungen besteht bei Raumtransportern darin, das Raumschiff auf die Erde zurückzubringen bzw. sicher in die Umgebung eines anderen Planeten einzutreten und dort zu landen. Während der Wiedereintrittsphase des Fluges ist das Raumschiff extremen thermischen Belastungen ausgesetzt. In der dichten Atmosphäre eines Gasriesen wie Jupiter oder Saturn können diese Belastungen zwei- oder sogar drei Mal größer als bei einem Wiedereintritt in die Erdatmosphäre sein. Die Entwicklung wirksamerer Materialien ist somit für interplanetare Missionen wie ExoMars oder Missionen zur Entnahme von Bodenproben grundlegend wichtig.
Eine Möglichkeit, die durch die enorme Geschwindigkeit des Wiedereintritts verursachten, an einem Raumfahrzeug auftretenden thermischen Belastungen in den Griff zu bekommen, besteht darin, seine Außenhaut mit einem ausreichenden Wärmeschutzmaterial zu schützen. Die effizienteste Methode ist die thermische Ablation, welche die Wärmeübertragung aufgrund der Phasenumwandlung vom festen Zustand zu Flüssigkeit und Gas verhindert. Gasförmige Abtragungsprodukte entfernen während des Prozesses des Ausgasens die Wärme von der Oberfläche.
Die meisten derzeit verfügbaren Ablationsmaterialien sind jedoch das Resultat von vor mehr als 20 Jahren durchgeführten Forschungen. Erst kürzlich intensivierte Europa die Anstrengungen um die Entwicklung von ablativ wirkenden Materialien einer neuen Generation. Hauptziele des EU-finanzierten Projekts "Advanced ablation characterization and modelling" (
ABLAMOD) sind eine bessere Materialcharakterisierung, Verbesserungen der physikalischen Modellierung und Messverfahren.
Das ABLAMOD-Team untersuchte drei Hauptablatoren auf Basis von Kohlenstoff-Phenol-, Siliziumdioxid-Phenol-Kompositen und Kork. Man setzt neuartige spektroskopische Verfahren ein, um die mit hoher Enthalpie verbundenen Fließeigenschaften sowie das Materialverhalten in extremen aerothermischen Umgebungen zu beschreiben. Einander ergänzende Meßverfahren erlauben die Bestimmung von Materialeigenschaften wie Dichte, Wärmeleitfähigkeit, Wärmekapazität und Wärmeausdehnung auf verschiedenen Ebenen des Ablationsprozesses.
Die gesammelten experimentellen Daten dienen als ein Ausgangspunkt zur Entwicklung und Validierung von realistischen Modellen für Ablationsprozesse. Die ABLAMOD-Forscher entwickeln Module für Gas-Oberflächen-Wechselwirkungen, Transportphänomene und Strahlung. Die Modularität des Kopplungswerkzeugs dieser Module und der Haupt-Ablationscode gestatten eine sehr flexible Simulation mit verschiedenen Zeitskalen. Der Ansatz von ABLAMOD zur Ablationsmodellierung ist in Europa einzigartig. Dank des besseren Verständnisses der zugrundeliegenden Physik ist ein bedeutender Schritt in Richtung auf ein prädiktives Ablationsmodellierungsrahmenwerk zu erwarten, das den Zuschnitt der Materialien auf eine spezielle Aufgabe gestattet.