Massereichen Galaxien funktionieren als Gravitationsteleskope
Im Lauf eines EU-finanzierten Projekts haben sich Gravitationslinsen als ein außergewöhnlich leistungsfähiges Werkzeug zur Untersuchung von schwachen Galaxien am Rande des beobachtbaren Universums erwiesen.
Massereichen Galaxien, die bedeutende Vergrößerungen erzeugen, sind
natürliche Teleskope, die es den Astronomen ermöglichen, das ferne
Universum in bislang noch nie erreichter Tiefe zu erkunden. Angesichts
des enormen Potenzial der Vergrößerung durch den
Gravitationslinseneffekt wurde kürzlich ein großer Anteil der Zeit des
Hubble-Weltraumteleskops (Hubble Space Telescope, HST) zwei großen
Erkundungen derartiger massereicher Galaxien zugewiesen.
CLASH und die Frontier Fields-Durchmusterung offenbarten bisher unbekannte, aber leistungsstarke Gravitationslinsen. Licht in die Eigenschaften von mehrfach abgebildeten Galaxien zu bringen, war die wissenschaftliche Hauptantriebskraft des EU-finanzierten Projekts "Investigating the properties of the early Universe with lensed galaxies" (LENSGAL). Die Wissenschaftler ermittelten deren Rotverschiebungen und rechneten die Abstände zwischen Linsen und Hintergrundquellen hoch.
Eine präzise Kartierung der Massenverteilung der Linsengalaxien war für die Bestimmung der Vergrößerung durch den Gravitationseffekt und daher für die Berechnung der Luminosität der Hintergrundgalaxien von Bedeutung. Zu diesem Zweck setzten die LENSGAL-Wissenschaftler neue Linsenmodellierungstechniken ein. Sie nutzten ferner die HST-Beobachtungen zusammen mit den Daten der Sloan Digital Sky Survey und vom Herschel-Satelliten.
Das LENSGAL-Projekt zielte auf dutzende massereiche Galaxien ab, die Linsenvergrößerungen bis zu 40 über einen beträchtlichen Anteil der Sichtfelder der Teleskope erschufen. In Folge dessen konnten die Wissenschaftler die Luminositätsfunktion der Galaxien mit hoher Rotverschiebung bis in Grenzbereiche sondieren, die bisher, ohne Gravitationsvergrößerung, unerreichbar waren. Gleichermaßen erfasste starke Emissionslinien erlaubten ihnen zudem, deren Sauerstoff- und Metallgehalte zu bestimmen.
Mit Unterstützung der Linsenvergrößerung konnten die LENSGAL-Wissenschaftler auf spektroskopische Weise Galaxien jenseits einer Rotverschiebung von 7 bestätigen. Darüber hinaus wurde der Nachweis von Galaxienpopulationen möglich, die schwächer als die bei in der Vergangenheit vorgenommenen Tiefenbeobachtungen waren. Die resultierenden Karten massearmer und mit hoher Rotverschiebung erfasster Galaxien dürften unser Verständnis der Galaxienentwicklung bereichern.
LENSGAL hat durch Linseneffekte Hintergrundgalaxien bis in beispiellose Grenzgrößenordnungen entdeckt, und außerdem die Galaxienpopulation bis auf Zwergebene untersucht. Die nun verfügbaren hochaufgelösten Aufnahmen, etwa in den Archiven der Europäischen Südsternwarte (ESO), werden das dringend erforderliche Licht in die physikalischen Prozesse bringen, welche die Entwicklung von Galaxien in einer Cluster-Umgebung lenken.
veröffentlicht: 2015-06-05