Seit der Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung 1992 (Rio-Erdgipfel) stehen die Wälder im Mittelpunkt der internationalen Politik zur Bekämpfung des Klimawandels, Förderung einer nachhaltigen Entwicklung und Verbesserung der Ernährungssicherheit. Aber wird das Wort „Wald“ oder „Baumbestand“auch immer in gleicher Weise beschrieben, vor allem angesichts der Notwendigkeit eines koordinierten Vorgehens in Richtung nachhaltiger Forstwirtschaft?
Zwar lieferten internationale Organisationen wie die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen einige gemeinsame und praktikable Definitionen, die bestimmte Parameter wie Beschirmung, Landfläche und Baumhöhe in Form von Schwellenwerten vorgeben, doch wurde eingeräumt, dass nur wenige Konzepte in allen menschlichen Sprachen lexikalisch identisch sind.
Ein von dem EU-finanzierten
LACOLA-Projekt unterstütztes Forscherteam beschrieb, verglich und bewertete einige der im Zusammenhang mit Wäldern beobachteten semantischen Unterschiede. In der Zeitschrift „Geographica Helvetica“ berichteten sie über ihre Ergebnisse. Der von Muriel Côte, Flurina Wartmann und Ross Purves koordinierte Artikel
„Forests: The cross-linguistic perspective“ entstand im Rahmen eines von der Forschungsabteilung Geocomputation der Universität Zürich geförderten Workshops.
Basierend auf linguistischen Felddaten einer genealogisch und geographisch breit angelegten Stichprobe, die sechs Sprachfamilien und vier Kontinente (von Avatime in Ghana bis Makalera in Osttimor) umfasst, zeigten die Forscher, dass die semantische Kodierung grundlegender linguistischer Kategorien in Bezug auf den Baumbestand von Sprache zu Sprache stark variiert. Sie argumentierten, dass „der Wald eine Herausforderung im Hinblick auf die interkulturelle Übersetzbarkeit ist.“
Das Team wies auf die Vielfalt von Begriffen hin, von denen angenommen werden kann, dass ihre Bedeutung äquivalent zu der des Wortes „Wald“ ist. „Während einige Begriffe der englischen Bedeutung eines dicht bewaldeten Gebietes von einiger Größe sehr nahe kommen, beziehen sich andere in einem allgemeineren Sinn eher auf ungezähmte Vegetation (ähnlich dem Busch); und wieder andere verzichten gänzlich auf eine Kodierung der Vegetation und greifen stattdessen auf abstrakte räumliche Bedeutungen von ‚draußen'' oder ‚im Freien'' zurück“, stellten die Forscher fest.
Im Artikel wird geschlussfolgert, dass die sprachübergreifende Vielfalt in der Forstterminologie Auswirkungen auf die derzeitigen Bemühungen zur Standardisierung von Walddefinitionen und -vermessungen haben könnten. Ferner wurde darauf hingewiesen, wie notwendig es ist, auf kategoriale Unterschiede bei der Gestaltung und Umsetzung von Forstprogrammen zu achten und lokale indigene Klassifizierungssysteme zu verstehen, um eine erfolgreiche Kommunikation dieser Programme vor Ort erst möglich zu machen.
„Wir hoffen, dass es uns gelungen ist zu zeigen, dass die sprachliche Vielfalt, obwohl sie manchmal zu Verständigungsproblemen führen mag, für Wissenschaftler und politische Entscheidungsträger gleichermaßen eine reiche Quelle von Informationen und Inspiration sein kann“, so die Forscher.
Das LACOLA-Projekt (Language, cognition and landscape: Understanding cross-cultural and individual variation in geographical ontology), das die Forschung unterstützte, warf zudem auch in anderen Disziplinen wie Anthropologie und Psychologie neue Fragen und Untersuchungsperspektiven auf. Das Projekt, das 2016 abgeschlossen wurde, betonte, wie wichtig es ist, die Unterschiede in der geographischen Ontologie zu verstehen, um Aufschluss über die menschliche Zusammenarbeit in verschiedenen Bereichen zu geben, angefangen bei der Steuerung und dem Ressourcenmanagement bis hin zu internationalem Recht.
Weitere Informationen:
LACOLA-Projektwebsite