Hinweise auf die Ursprünge der sozialen Gerechtigkeit bei Sechsjährigen und Schimpansen gefunden

Die Zusammenarbeit gehört den Säulen eines erfolgreichen Gemeinschaftslebens, wobei Verstöße gegen die sozialen Normen üblicherweise bestraft werden. Forscher haben nun Evolutionsbelege für diesen Gerechtigkeitssinn bei Sechsjährigen und Schimpansen gefunden, die jeweils gleichermaßen Interesse daran zeigten, anwesend zu sein, wenn Gerechtigkeit geübt wird.

In bisherigen Studien wurde bereits die Empathie bei Menschen und Tieren untersucht und gezeigt, dass Menschen und auch einige Tierarten Anzeichen von Belastung zeigen, wenn andere Leid tragen. Dieses empathische Verhalten gilt als Garant für die Einhaltung sozialer Normen und erleichtert zugleich die Zusammenarbeit.

Jüngste Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass sich Gemeinschaften mit starkem gesellschaftlichem Zusammenhalt nicht nur durch Empathie, sondern auch durch einen Sinn für Gerechtigkeit auszeichnen. Die Studie machte bei Schimpansen und sechsjährigen Kindern die Beobachtung, dass sie der Bestrafung mutmaßlicher Übeltäter nicht nur unbedingt beiwohnen wollten, sondern dabei anscheinend auch Freude empfanden.

Wenn der Gerechtigkeit sichtlich genüge getan werden muss

Die Forscher, die sich auf Arbeiten der EU-finanzierten Projekte DEVBRAINTRAIN und SOMICS stützten, wollten mehr über die Ursprünge und die Entwicklung dieses Urteilsverhaltens erfahren. In der Fachzeitschrift Nature skizzierten sie ihre Absicht, zum einen das Alter zu bestimmen, ab dem dieser Drang beginnt, der Bestrafung von als antisozial wahrgenommenem Verhalten beizuwohnen, und zum anderen zu bestimmen, ob dieser Drang auch bei Schimpansen, unseren nächsten Verwandten, vorhanden ist.

Zur Untersuchung bei Kindern verwendeten die Forscher ein Szenario mit einem Puppentheater, in dem drei Figuren dargestellt wurden. Eine der Figuren war nett zu den Kindern und ließ sie mit ihrem Lieblingsspielzeug spielen. Die zweite verhielt sich ablehnend und erlaubte ihnen das Spielzeug nicht. Die dritte gab vor, die anderen beiden mit einem Stock zu schlagen. Die Kinder im Publikum waren vier bis sechs Jahre alt und konnten mit einer Münze entweder dafür bezahlen, beim Austeilen der Schläge zuzusehen oder aber einen Aufkleber zu kaufen.

Dabei beobachteten die Forscher, dass sich die Kinder für die Aufkleber entschieden, wenn die „nette“ Puppe geschlagen wurde. Als die „böse“ Puppe bestraft wurde, verzichtete eine erhebliche Anzahl der Sechsjährigen jedoch auf die Aufkleber und bezahlte lieber, um dabei zuzusehen. Laut dem Bericht der Forscher zeigten die Sechsjährigen, im Gegensatz zu den Vier- und Fünfjährigen, bei diesem Anblick sogar Freude und brachten dies durch ihre Mimik zum Ausdruck.

Zur Untersuchung bei Schimpansen verwendeten die Forscher ein Szenario im Zoo Leipzig, bei dem zwei Tierpfleger jeweils eine kooperative und eine unkooperative Rolle übernahmen: Einer fütterte die Schimpansen, während der andere ihnen das Futter verweigerte und auch hier ein dritter mit einem Stock auf die beiden anderen einschlug. Dabei beobachteten die Forscher, dass sich eine erhebliche Anzahl der Tiere bemühte, dabei zuzusehen, wenn der unkooperative Pfleger geschlagen wurde – und zwar auch dann, wenn sie erst eine schwere Türe öffnen mussten, um sich freien Blick zu verschaffen. Hingegen vermieden es die Schimpansen, mit anzusehen, wie der kooperative Pfleger geschlagen wurde, und protestierten sogar, als die Bestrafung erfolgte.

Voraussetzung für ein gelungenes Gemeinschaftsleben

Angesichts der engen evolutionären Verbindung zwischen Schimpansen und Menschen wird vermutet, dass das Verlangen danach, einer als gerecht angesehenen Bestrafung von Übeltätern beizuwohnen, sich im Verlauf der Evolution zu einer sozialen Strategie entwickelte, um Kooperation und Zusammenhalt aufrechtzuerhalten und so die Sicherheit der Gemeinschaften zu gewährleisten.

Die Erkenntnisse stützen auch bisherige Studien, die auf die Bedeutung des sechsten Lebensjahres bei der kognitiven, emotionalen und sozialen Kindesentwicklung hindeuteten, in dem Kinder erstmals Interesse an Gerechtigkeit und damit assoziierten Merkmalen (z. B. aufopferndem Verhalten im Interesse anderer) zeigen.

Das zu dieser Forschungsarbeit beitragende Projekt DEVBRAINTRAIN (Neurocognitive mechanisms of inhibitory control training and transfer effects in children) untersucht die Entwicklung der Fähigkeit, Handlungsimpulse zu kontrollieren, die für die kognitive Entwicklung sowie für das eigene Wohl im späteren Lebensverlauf von entscheidender Bedeutung ist. Insbesondere beschäftigt sich das Team mit der Frage, wie die Plastizität des Gehirns, insbesondere während der Kindheit, eine verbesserte inhibitorische Kontrolle ermöglichen könnte.

In die Arbeit flossen darüber hinaus auch Erkenntnisse aus dem Projekt SOMICS (Constructing Social Minds: Coordination, Communication, and Cultural Transmission) ein. Die beteiligten Forscher arbeiten daran, unser Verständnis davon zu vertiefen, wie sich aus gemeinsamen Wahrnehmungen, Handlung und Kommunikation in Kombination mit dem Allgemeinwissen eine gemeinsame soziale Grundlage entwickelt. Sie vergleichen dazu Daten von Säuglingen, Kindern, Erwachsenen und Primaten, und ziehen darüber hinaus auch anthropologische Daten heran.

Weitere Informationen:
DEVBRAINTRAIN-Projektwebsite
SOMICS-Projektwebsite

Datum der letzten Änderung: 2018-02-22 17:15:01
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