Eine Frage der Einstellung: Wie halten es die Bürger mit staatlichen Institutionen?

Eine sorgfältig abgewogene Regierungskommunikation könnte in der Tat dazu beitragen, die Steuereinnahmen zu erhöhen und damit öffentliche Dienstleistungen zu verbessern, sagen EU-finanzierte Forscher.

EU-finanzierte Forscher sind durch Compliance-Experimente zu dem Schluss gekommen, dass ein hoher Anteil der Menschen durch das Wort „Gebühr“ dazu neigt, Steuern zu vermeiden. Die Forschungen im Rahmen des von der EU geförderten Projekts WILLING TO PAY? könnten langfristige Auswirkungen darauf haben, wie in der Zukunft Steuern erhoben werden.


Die Teilnehmer wurden gebeten, eine Reihe von simulierten Aufgaben zu erledigen, für die sie ihr Einkommen angeben mussten. Sie konnten einerseits angeben, was sie wollten, wurden aber darüber informiert, dass sie eine Strafe in doppelter Höhe der Steuern zahlen müssten, wenn sie erwischt wurden, falsche Angaben gemacht zu haben.


Die Forscher fanden heraus, dass die Teilnehmer im Durchschnitt 10 % weniger Steuern zahlten, wenn dort „Gebühr“ anstelle von „Steuer“ zu lesen war. Ferner, wenn die Teilnehmer vor die Wahl gestellt wurden, ob sie eine „Gebühr“ oder eine „Steuer“ in einen Fonds einzahlen würden, der dann schrittweise umverteilt werden sollte, zeigten die Ergebnisse, dass sich eine überwältigende Mehrheit für die Steuer entschied.


Diese ersten Ergebnisse deuten darauf hin, dass das Wort „Steuer“ politisch nicht so belastet sein muss, wie Politiker denken, und dass das Wort „Gebühr“ in der Tat das negativere von beiden ist.


Das Projekt WILLING TO PAY? wurde im September 2012 ins Leben gerufen und kommt zu einer Zeit, in der viele europäische Länder mit einer Reihe von großen demografischen, wirtschaftlichen und finanziellen Herausforderungen konfrontiert sind. Dazu gehören die Versorgung einer alternden Bevölkerung und die Aufrechterhaltung einer angemessenen Sozialhilfe, während sie gleichzeitig unter Druck stehen, die Steuern zu senken.


Um die eigentlichen politischen Optionen für die Regierungen besser zu verstehen, will das Europäische Hochschulinstitut in Florenz, Italien, das nuancierte Zusammenspiel zwischen politischen Institutionen, öffentlichen Strategien und Bürgerpräferenzen untersuchen. Die Forscher wollen außerdem besser verstehen, wie Institutionen die Entscheidungen der Menschen formen und beeinflussen und wie diese Institutionen vielleicht besser angepasst werden können, um effektiver zu sein.


Das Projekt stellt außerdem fest, dass die Einstellung zur Steuer zwischen den europäischen Ländern unterschiedlich ist. In Italien zum Beispiel neigt die Bevölkerung zu einer tiefgreifend negativen und misstrauischen Haltung gegenüber staatlicher Verantwortung, anders als die Menschen in den skandinavischen Ländern wie etwa Schweden. Mit dem Projekt sollen diese Annahmen auf die Probe gestellt werden, um die Motivationen hinter verschiedenen Haltungen in so unterschiedlichen Ländern wie Italien, Schweden, Großbritannien und den USA besser zu verstehen.


Letztlich will WILLING TO PAY? neue Erkenntnisse zu den interaktiven Beziehungen zwischen Institutionen und Bürgern liefern und die vielen Wege und unterschiedlichen Entscheidungen in den verschiedenen demokratischen Wohlfahrtsstaaten erklären. Die Forschung stellt einen wichtigen Fortschritt im Bereich der experimentellen Ökonomie dar, mit Bürgerversuchen zu realen Institutionen und echten politische Entscheidungen.


Man hofft, dass das Projekt, das bis August 2017 läuft und über den Europäischen Forschungsrat (ERC) und das Siebte Rahmenprogramm der EU finanziert wird, Erkenntnisse liefern wird, die angewendet werden können, um die Steuersysteme in Europa zu verbessern. Nur indem man weiß, argumentiert WILLING TO PAY?, was die Bürger wirklich über ihren Staat denken und warum, können die Regierungen  verstehen, wie die politischen Systeme reformiert werden müssen.



veröffentlicht: 2015-04-29
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