"Ich interessiere mich für den sozialen Wandel und die Möglichkeiten, 
die sich den Menschen bieten, um ein besseres Leben am Arbeitsplatz zu 
führen – in Bezug auf Bezahlung, Beziehungen zu Kollegen, 
Arbeitszufriedenheit und sogar Freude an der Arbeit", erklärt Prof. Ó 
Riain. "Ich möchte es auf eine sehr direkte und praktische Weise 
betrachten. Vergleiche zwischen den Ländern werden es uns ermöglichen, 
Schlüsse aus und für die unterschiedlichen Wirtschaftsmodelle zu 
ziehen."
Sein ERC-Projekt stützt sich auf EU-weite Umfragedaten, die Umfrage 
der Europäischen Union zu Arbeitsbedingungen (European Union Survey of 
Working Conditions, EUSWC), um Tendenzen bei Bezahlung, 
Arbeitsprozessen, Karriere und Arbeitszeit während einer 
wirtschaftlichen Hochkonjunktur und eines Finanzcrashs zu analysieren. 
Das Team wird dies mit sektoralen, regionalen und nationalen Daten 
kombinieren, um zu verstehen, wie "Arbeitsabmachungen" – wie Arbeitszeit
 oder Arbeitsplatzsicherheit – auftreten und sich ausbreiten, die durch 
soziale und institutionelle Kontexte geformt werden
."In den 1990er und 2000er Jahren gab es Debatten über die 
europäischen Wirtschaftsmodelle, in denen sie in "Varianten des 
Kapitalismus", wie liberaler, skandinavischer, kontinentaler oder 
mediterraner Kapitalismus, eingeteilt wurden", sagt der Professor. "Aber
 wir wissen, dass sich diese Modelle hinter diesen Bezeichnungen 
verändern – in Deutschland beispielsweise hat sich der Arbeitsplatz 
zwischen 2000 und 2008 stark verändert, weniger Sicherheit, eine Zeit 
der Lohnzurückhaltung und der Schwerpunkt Fokus auf dem Export."
Flexibilität hat viele Formen
Prof. Ó Riain zufolge sind beispielsweise der skandinavische 
Kapitalismus und der Kapitalismus Großbritanniens verschieden und 
dennoch entwickeln sie sich hin zu flexiblen Arbeitspraktiken. Sie 
unterscheiden sich dahingehend, wie diese Änderungen umgesetzt werden – 
in Großbritannien haben beispielsweise Führungskräfte mehr Macht und 
können Druck auf Mitarbeiter ausüben, damit diese länger arbeiten, 
während in den skandinavischen Ländern die Teams von Kollegen und nicht 
von Managern geleitet werden und "Flexibilität" bedeuten kann, dass man 
nach der Arbeit per Telefon erreichbar bleibt anstatt mehr Stunden am 
Arbeitsplatz zu verbringen. Dies kann überraschende Ergebnisse zur Folge
 haben.
"In der Theorie sind 'liberale' Volkswirtschaften wie Irland und 
Großbritannien flexibler, weil Einstellung und Entlassung einfacher 
sind", sagt er. "Aber in der Praxis – auch weil das Arbeitslosengeld 
niedriger ist – wird dadurch der Einsatz erhöht und der Widerstand 
gegenüber Veränderungen kann stärker sein. Paradoxerweise kann es in den
 angeblich weniger flexiblen kontinentalen Volkswirtschaften einfacher 
sein, Menschen zu bitten, Opfer im Hinblick auf ein längerfristiges Ziel
 zu bringen. Stärkere soziale Sicherheit und mehr Gleichheit bedeuten, 
dass die Einsätze niedriger sind und es ist ein stärkeres Gefühl für 
gemeinsame Ziele und eine gemeinsame Zukunft gibt."
Um die Prozesse hinter dieser Art von Arbeitsplatzvereinbarungen und
 ihrer Verbindung mit der breiteren politischen und kulturellen 
Landschaft des jeweiligen Landes zu analysieren, wird das Projekt-Team 
ihre umfragebasierte Forschung mit einer Reihe ausführlicher Fallstudien
 kombinieren. Diese werden sich auf sechs Unternehmen konzentrieren, die
 drei Branchen – Software, Einzelhandel und Gesundheitswesen – in zwei 
Ländern, Irland und Dänemark, repräsentieren.
"Die Fallstudien werden 'die Motorhaube öffnen', um zu sehen, was 
'darunter' ist, sagt Prof. Ó Riain. Die Forscher werden Führungskräfte 
und Mitarbeiter sowie deren Kunden und Lieferanten befragen, ihre 
Versammlungen besuchen, Projektverläufe analysieren und Manager während 
ihres Arbeitstages verfolgen.
EU-Wirtschaft besteht aus "Varianten des Kapitalismus"
Der Professor hofft, dass die detaillierten Informationen, die aus 
wissensintensiven Branchen und Ländern mit verschiedenen "Varianten des 
Kapitalismus" erhoben werden, neue theoretische Erkenntnisse und 
praktische Schlussfolgerungen zu den Möglichkeiten bieten, wie 
Finanzwesen, Industriepolitik, Arbeitgeber und Arbeitnehmer miteinander 
in Beziehung stehen.
"Ohne die Finanzhilfe durch ein ERC-Grant lässt sich ein Projekt in 
dieser Größenordnung nicht durchführen", sagt er. "Insbesondere 
ermöglicht die längerfristige, mehrjährige Natur insgesamt ein 
kohärenteres Projekt. Mit dem Zuschuss konnten wir ein Forschungsteam 
aus zwei Postdoktoranden und drei Doktoranden aufbauen – sowie 
Konferenzen ausrichten – und dadurch einen Teil der Grundlagen für eine 
Forschungsgruppe legen, die sich an unserer Universität mit Soziologie 
am Arbeitsplatz - beschäftigt."
Prof. Ó Riain glaubt, dass ihre Ergebnisse systematischer aufzeigen,
 wie verschiedene Aspekte des Arbeitsplatzes in den einzelnen Ländern 
organisiert sind und wie diese nicht nur auf der Interaktion zwischen 
Personen beruhen, sondern auch auf ihren kollektive Fähigkeiten – wie 
dem gemeinsamen Verständnis der "Wege in die Zukunft" und unterstützende
 Institutionen.
"Es besteht ein Zusammenhang zwischen der Arbeitsplatzebene und der 
europäischen Ebene", sagt er, "daher hoffen wir, dass diese Forschung 
Einblicke in die aktuellen Bemühungen, die EU-Wirtschaft zu integrieren,
 geben wird."
- Quelle: Prof. Seán Ó Riain
- Projektkoordinator: National University of Ireland, Maynooth, Irland
- Projekttitel: New Deals in the New Economy
- Projektakronym: NEWDEALS
- 
Website der NEWDEALS-Projekts- RP7 Finanzierungsprogramm (ERC-Aufforderung): Starting Grant 2011
- Finanzierung durch die EK: 1 300 000 EUR