„Virtuelle Arterie“ bringt uns einer besseren Vorhersage der Nebeneffekte von Behandlungen einen Schritt näher

Durch Verifizierung eines zellbasierten Computermodells, das die Mechanik von Muskeln und Gewebe gegenüber Laborversuchen repliziert, trugen Forscher dazu bei, das Zeitalter der personalisierten Medizin einzuläuten.

Forscher entwickelten eine von ihnen so bezeichnete „virtuelle Arterie“, ein Multiskalenmodell, das physikalische, chemische und biologische Daten umfasst. Das Team replizierte die Aktivität einzelner Zellen in der Arterienwand (Endothelialzellen und Zellen der glatten Muskulatur) und im fließenden Blut (rote und weiße Blutkörperchen sowie Thrombozyten).

Dabei untersuchte es die Tunika media (die mittlere Schicht der Arterienwand aus Muskel und Gewebe), die sich im Modell aus kugelförmigen Zellen in einem dicht gepackten hexagonalen Gitter zusammensetzt.

Zur Behandlung von Stenose – der abnormalen Verengung eines Blutgefäßes – werden häufig Ballonangioplastie angewandt und Stents gesetzt. Dies kann wiederum zur sogenannten „In-Stent-Restenose“ führen, dem Wachstum von Zellen der glatten von Muskulatur in einer Koronararterie, das weitere chirurgische Eingriffe erforderlich machen kann. Das Forschungsteam setzte sich zum Ziel, eine Möglichkeit zu finden, die Wahrscheinlichkeit statistisch vorherzusagen, mit der diese Nebenwirkung bei einem behandelten Patienten auftritt.

Eine „virtuelle Arterie“ zur Modellierung einzelner Zellen und ihrer Interaktion

Die von der EU teilfinanzierte Forschung wurde kürzlich in einer wissenschaftlichen Arbeit beschrieben, die über „Royal Society Publishing“ veröffentlicht wurde. In dem Paper wird erklärt, wie – nach vorherigen Anwendungen des Modells in zweidimensionalen Simulationen – die dreidimensionale Version nun anhand von Daten validiert wurde, die aus Versuchen stammten, die an sezierten Streifen von Tunika media durchgeführt wurden.

Das Modellierungssystem des Forschungsteams behandelte einzelne Zellen glatter Muskulatur als untereinander interagierende Einheiten, wobei auch berücksichtigt wurde, dass einzelne Zellen jeweils ihren eigenen Zyklus durchlaufen. So konnten sie die mechanische und biochemische Umgebung der Zellen vollständiger abbilden.

Die modellierten Dehnversuche wurden mit denen verglichen, die im Labor durchgeführt wurden, wo sezierte Tunika-media-Streifen der Länge nach sowie entlang ihres Umfangs gedehnt wurden.

Neue Möglichkeiten dank hoher Rechenleistung

Mithilfe dieses Modellierungsansatzes konnte das Team auch den Transport der Thrombozyten in Aneurysmen untersuchen, indem sie die mechanischen Eigenschaften roter Blutkörperchen und Thrombozyten simulierten und diese mit dem Fluss des Blutplasmas kombinierten. Derzeit arbeiten verbessern die Forscher die Weise, in der die biologischen und chemischen Daten einfließen, sodass sie die Vorgänge nachvollziehen können, die mit Thrombose zusammenhängen.

Die Anwendbarkeit dieser Methodik für verschiedene biomedizinische Prozesse spiegelt die Ziele der EU-finanzierten Projekte COMPBIOMED und COMPAT wider, die zum Erreichen dieser Ergebnisse beitrugen.

Das Projekt COMPBIOMED (A Centre of Excellence in Computational Biomedicine) wurde speziell dazu ins Leben gerufen, die steigenden Rechenkapazitäten von Hochleistungscomputern zu nutzen, um unser Verständnis von kardiovaskulären, molekülbasierten und neuromuskoskelletalen Vorgängen, die in der Medizin eine Rolle spielen, mittels genauerer Modellierungen zu vertiefen. Das übergeordnete Ziel besteht in der Entwicklung eines automatisierten Arbeitsablaufs, in dem Daten eines einzelnen Patienten eingegeben und verarbeitet werden können, um Vorhersagen zu treffen und so eine personalisiertere Medizin zu ermöglichen.

Als eine der zentralen Herausforderungen, die diesen prädiktiven Modellen gegenüberstehen, ist die Schwierigkeit zu nennen, die Variablen zu replizieren, die in physikalischen, zeit- und ortsabhängigen Multiskalenprozessen eine Rolle spielen. Das Projekt COMPAT (Computing Patterns for High Performance Multiscale Computing) steuerte Erkenntnisse bei, die durch die wiederverwendbaren Algorithmen für Performance Multiscale Computing gewonnen wurden, die bis in den Exaflop-Bereich skaliert werden können (in dem mindestens eine Milliarde Milliarden Rechenoperationen pro Sekunde stattfinden). In diesem Projekt soll Software entwickelt werden, durch die mit Computersimulationen aussagekräftige Vorhersagen getroffen werden können.

Weitere Informationen:
COMPBIOMED-Projektwebsite
COMPAT-Projektwebsite

veröffentlicht: 2017-12-06
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