Unverwüstliche Roboter? – Vielleicht schon bald keine Science-Fiction mehr

Wenn ein Mensch sich schneidet oder einen Muskel zerrt, heilt die Verletzung zum Glück mit der Zeit. Diese Selbstheilungskräfte haben Forscher einer belgischen Universität nun auch weichen Robotern verliehen.

Unterstützt durch das EU-finanzierte SPEAR-Projekt haben Robotiker der Vrije Universiteit Brussel (VUB) weiche Roboter entwickelt, die sich bei Verletzungen selbst heilen können. In der Fachzeitschrift „Science Robotics“ wurden nun die Forschungsergebnisse des Teams vorgestellt.

Die Roboter werden aus biegsamen Werkstoffen hergestellt, was sie zum Greifen äußerst empfindlicher Gegenstände befähigt und damit für den Einsatz auf Gebieten wie der Lebensmittelindustrie oder der minimal-invasiven Chirurgie interessant macht. „Weiche“ Roboter werden auch in der Rehabilitationsmedizin und als Armprothesen eingesetzt. Ihre Form bietet den Robotern einen guten Schutz vor Stößen und Erschütterungen, da diese leicht abgefedert werden können, bedinge aber, wie die Wissenschaftler in ihrer Veröffentlichung ausführen, den Nachteil, dass „die weichen zur Herstellung der Roboter verwendeten Materialien sehr schadensanfällig sind und es daher durch die scharfen Gegenstände, die unter Umständen Teil ihrer Arbeitsumgebung sind, leicht zu Schnitten oder Löchern kommen kann.“

Weiche Roboter könnten sich auf schwer begehbarem Untergrund bewegen oder sich durch winzige Öffnungen schwer zugängliche Orte erreichen. Sobald sie mit anderen Objekten in Berührung kommen, verändern sie, gesteuert durch weiche Aktoren, ihre Form. Dadurch eignen sie sich gut für den Einsatz als Greifarme, mit denen weiche Dinge, etwa Obst oder Gemüse, gegriffen werden. Die große Mehrheit aller weichen Roboter wird pneumatisch gesteuert. Schädigungen des Roboters kommen deshalb häufig durch zu hohen Druck zustande. Um das Potenzial dieses Felds der Robotik bei gleichzeitiger Minimierung des schadensbedingten Kosten- und Zeitaufwands (aufgrund zu hoher Drücke oder Abnutzung weisen viele pneumatische Roboter häufig Löcher oder undichte Stellen auf) bestmöglich auszuschöpfen, entwarf das Forschungsteam die weichen Roboter vollständig aus selbstheilenden Elastomeren.

Unter Verwendung von Diels-Alder-Polymeren entwickelten die Forscher drei verschiedene Anwendungen von selbstheilenden weichen pneumatischen Aktoren: eine Hand, einen Greifarm und künstliche Muskeln. Die weichen Werkstoffe machen die Aktoren ähnlich nachgiebig, wie es biologische Organismen von Natur aus sind. Bei ihrer Herstellung haben sich die Forscher die Selbstheilungskräfte der verwendeten Materialien zunutze gemacht; die Polymere wurden befähigt, mikroskopische wie makroskopische Schäden selbst zu beheben, indem sie zunächst wieder ihre ursprüngliche Form bilden, um sich anschließend vollständig selbst zu reparieren.

Die Forscher entschieden sich für diese drei Anwendungen, da sie besonders viele Einsatzmöglichkeiten bieten: Eine weiche Hand war deshalb von Interesse für das Team, weil sie in sozialen Robotern, welche in einem dynamischen, nicht im Vorhinein programmierbaren Umfeld zum Einsatz kommen, verbaut werden kann. In einer solchen Umgebung stoßen Roboter mit hoher Wahrscheinlichkeit auf spitze Gegenstände, etwa Metallkanten, zerbrochenes Glas, scharfes Plastik oder auch nur die Kanten eines Blatts Papier.

Die zweite Anwendung bestand in einem weichen, pneumatisch betriebenen Greifarm, der zur Sortierung und Verpackung empfindlicher Objekte in Industrieanlagen eingesetzt werden könnte, beispielsweise zum Sortieren von Obst und Gemüse, wobei spitze Zweige Schäden verursachen könnten.

Die dritte entwickelte Anwendung bestand in einem ebenfalls pneumatisch betriebenen Muskel, wie er vielfach verwendet wird, um Roboter biegsamer zu machen. Solche Muskeln können hohe Kräfte aufbringen, allerdings ist dazu ein starker Überdruck notwendig, durch den es zu Abnutzung sowie Löchern und undichten Stellen kommen kann.

Den Forschern gelang es, den entwickelten Anwendungen makroskopische Schäden, wie sie auch in einer reellen Arbeitsumgebung auftreten können, zuzufügen und diese mit einer milden Wärmebehandlung vollständig zu heilen. Bei allen drei Anwendungen gelang es, zugefügte Schäden durch ein Selbstheilungsverfahren (SH) mit geringer Wärmeeinwirkung (80 C) vollständig zu beheben. Eine eingeschränkte Leistung an den vernarbten Stellen konnte nicht festgestellt werden, und auch die Leistung der Aktoren erreichte nach jedem Heilzyklus beinahe die volle Leistungsfähigkeit.

SH-Materialien sind eine verhältnismäßig neue Entwicklung; erstmals verwendet wurde der Begriff im Jahr 2001. Zu den Anwendungen zählen mittlerweile etwa Beschichtungen für Mobiltelefone, die Kratzer selbst beseitigen können, und auch die Automobilindustrie hat die Materialien bereits für sich entdeckt. Auch Anwendungen in der Luftfahrt deuten sich bereits an. Zudem werden dehnbare SH-Materialien entwickelt, die sich sehr gut als künstliche Haut eignen könnten.

Das Projekt SPEAR (Series-Parallel Actuators for Robotics) hat zum Ziel, Antworten auf bislang ungeklärte Forschungsfragen zu liefern und die Möglichkeiten dieser neuen Technik auszuloten. Somit leistet es einen bedeutenden Beitrag auf dem Gebiet aktorbetriebener Systeme, insbesondere der Robotik.

Weitere Informationen:
Projektwebsite

veröffentlicht: 2017-08-26
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