Realistische Modelle der Skelettmuskulatur
EU-finanzierte Forscher machten große Fortschritte bei der Entwicklung realistischer vollständiger Knochenmodelle. Die Methoden könnten die Behandlung und Rehabilitation von Patienten mit Frakturen oder Knochenerkrankungen verbessern.
Gewebespezifische Multiskalenmodelle von Knochen waren bisher nicht möglich, da hierfür Daten zur Belastung des Gewebes im gesamten Knochen benötigt werden. Mit experimentellen Messungen ist dies jedoch nicht möglich, und Computermodelle sind nur begrenzt aussagefähig.
Gewebespezifische Modelle vollständiger Knochen sind für die Forschung unerlässlich, da sie Aufschluss über die Beziehung zwischen Mikrostruktur und Funktion von Knochen geben. So sollte das EU-finanzierte Projekt TISSSPECBONEFEM (Incorporation of multiscale tissue-specific properties into musculoskeletal finite element modelling) mittels Finite-Elemente-Analyse (FE) genaue Knochenmodelle der Oberschenkelknochen von Schafen entwickeln.
Experimentell wurden Knochengeometrie, Knochendichte, Gewebearten und mikroelastische Eigenschaften am Oberschenkelknochen von Schafen charakterisiert. Mit Daten aus einer site-matched Datenbank wurden muskuloskelletale FE-Modelle des Oberschenkelknochens von Schafen erstellt, die gewebespezifische, anisotrope, elastische Knocheneigenschaften wie auch physiologisch relevante Beanspruchung aufzeigen.
TISSSPECBONEFEM erfasste stellenspezifische Eigenschaften auf multimodaler und mehrskaliger Ebene und analysierte sie zusammen mit der ermittelten physiologischen Beanspruchung, um Struktur-Funktions-Beziehungen zu bestimmen. Dabei entdeckte man, dass Umbauprozesse in osteonalen Knochen wie Oberschenkelknochen eher durch lokale Muskelscherkräfte als durch Knochendruck oder -biegung induziert werden.
Osteozyten sind Knochenzellen, die mechanische Signale aufnehmen und den Knochenumbau koordinieren. Mittels FE und Synchrotron-Röntgenphasen-Nano-Tomographie analysierten die Forscher die Porengeometrie im Submikrometerbereich sowie die Verformung der Osteozyten in situ.
Mittels ultraschall-basierter bidirektionaler axialer Transmissionsmessung wurden die Eigenschaften kortikaler Knochen unter realistischen (in vivo) Bedingungen im Zentimeterbereich ermittelt, eine Methode, die sich für die fallspezifische Beurteilung von Knochenmaterialeigenschaften eignet.
Die Forscher quantifizierten die Knochenmineralisierung, vollständige Torsionssteifigkeit und Morphologie des Porennetzwerks. Die Korrelation mit anatomischer Lage, Gewebetyp und Alter der Tiere gibt nun detailliert Aufschluss zu Struktur-Funktions-Beziehungen und Umbauprozessen.
Weiterhin entwickelten die Projektpartner einen numerischen Rahmen für ein bereits etabliertes Osteotomiemodell des Schafes, um die Frakturheilung unter mehreren Beanspruchungsszenarien zu untersuchen.
Die Methoden, Datenbanken und Studienergebnisse von TISSSPECBONEFEM könnten von großer Bedeutung für die Planung und Kontrolle von Knochenfixierungsimplantaten zur schnelleren Heilung von Knochenfrakturen sein. Angesichts der rasch alternden europäischen Bevölkerung dürfte die klinische Umsetzung der Ergebnisse die Mobilität von Patienten verbessern und gleichzeitig Behandlungskosten für Frakturen und Gelenkersatz reduzieren.
veröffentlicht: 2016-01-27