Gen-Silencing bei Nikotinabhängigkeit
Durch langjährigen Nikotinkonsum kommt es im Gehirn und Verhalten zu Veränderungen, die auch nach langer Abstinenz immer wieder Rückfälle auslösen. Eine EU-Studie untersuchte nun an einem Modellorganismus genetische Mechanismen, die dieser Rückfälligkeit zugrunde liegen.
Drogenabhängigkeit bedient das Belohnungszentrum im Gehirn, allerdings
sind die molekularen und zellulären Anpassungsprozesse noch weitgehend
unbekannt. Die Forschung geht inzwischen davon aus, dass kleine
RNA-Signalmoleküle (microRNA und siRNA bzw. small interfering RNA) für
Drogenabhängigkeit verantwortlich sind. Auf welche Gene diese Signalwege
abzielen, ist aber noch kaum erforscht.
Das EU-finanzierte Projekt CELNIC (Role of gene silencing pathways in C. elegans nicotine dependence) untersuchte an einem Modellorganismus, welche genetischen Komponenten bei Nikotinsucht eine Rolle spielen. Der Fadenwurm Caenorhabditis elegans ist ein etabliertes Modell für Nikotinabhängigkeit, da an ihm eine sofortige Reaktion, Anpassung, Entzug und Sensibilisierung ablesbar sind.
CELNIC identifizierte Gene und Proteine, die bei einer Nikotinverabreichung differenziell reguliert werden. Nach den betreffenden Genen wurde mithilfe umfangreicher proteomischer und genomischer Ansätze gesucht. Mit dem massenspektrometrischen quantitativen proteomischen Verfahren SILAC (stable isotope labelling with amino acids in cell culture) fand man heraus, welche Proteine hoch- oder herunterreguliert waren.
Dabei stellte sich heraus, dass nach längerer Nikotinverabreichung 35 Proteine herunter- und 101 Proteine hochreguliert waren. Diese Proteine waren an verschiedenen biologischen Prozessen wie Wachstum, Fortpflanzung oder Stressreaktion beteiligt, einige waren auch Komponenten kleiner RNA-Interferenzmaschinen.
Auf genetischer Ebene war die Aktivität von 373 Genen durch niedrige bzw. hohe Nikotindosen verändert. Bei 120 Genen entdeckte CELNIC Veränderungen bei niedriger Dosierung, bei 352 Genen Veränderungen bei höherer Dosierung. Davon waren 99 Gene in beiden Studiengruppen verändert. Ein Vergleich von massenspektrometrischen und Microarray-Daten ergab genetische Faktoren, die nach längerer Nikotinverabreichung sowohl auf Transkriptions- als auch Translationsebene differenziell reguliert waren.
Vor allem aber enthüllte CELNIC, auf welche Weise microRNA-Maschinen durch Acetylcholinrezeptoren reguliert werden bzw. diese regulieren, um nikotinabhängiges Verhalten auszulösen. Im nächsten Schritt soll nun die Rolle differenziell regulierter Gene und Proteine an Mausmodellen oder menschlichen Zelllinien geklärt werden. Sobald die Signalwege erforscht sind, mit denen sich Gene für Nikotinabhängigkeit stummschalten lassen, könnte mit therapeutischen Mitteln ein Rückfall verhindert werden.
veröffentlicht: 2015-10-14