Seltene Nierenerkrankungen gehören zu einer Gruppe von Erkrankungen mit
unbekannter genetischer oder molekularer Ätiologie und signifikanter
phänotypischer Variabilität. Trotz kurzer Lebenserwartung und schlechter
Lebensqualität sind die diagnostischen und therapeutischen
Möglichkeiten noch immer sehr begrenzt, auch stehen weder molekulare
Marker noch Modelle zur Verfügung, um zuverlässig das Erkrankungsrisiko
einzuschätzen.
Nierenbiopsien ermöglichen Hochdurchsatzanalysen für seltene Nierenerkrankungen, ergänzt durch transkriptomische, proteomische und morphologische Analysen, die wichtige Hinweise zur Pathogenese dieser seltenen Krankheiten liefern. Außerdem eignen sich Urin und Fruchtwasser hervorragend für molekularbiologische Analysen von Nierenfunktionsstörungen.
Das EU-finanzierte Projekt
EURENOMICS (European consortium for high-throughput research in rare kidney diseases) setzt Hochdurchsatztechnologien ein, um im großen Umfang Patientenproben zu analysieren. Das Konsortium arbeitet mit einer großen Kohorte von mehr als 15.000 Patienten und Biodatenbanken für DNA, Serum, Fruchtwasser und Nierenbiopsien.
Schwerpunkt des Projekts ist die Suche nach neuen Genen, die Krankheitsphänotypen auslösen oder verändern bzw. das Erkrankungsrisiko erhöhen. Bislang wurden mehrere krankheitsauslösende Mutationen und genomische Rearrangements entdeckt und durch Exomsequenzierung die hierfür verantwortlichen Gene identifiziert. Zahlreiche weitere Kandidatengene werden derzeit funktionell charakterisiert.
Das Konsortium widmet sich auch der molekularbiologischen Multilevel-Analyse (mRNA, miRNA, Proteom, Metabolom) von Körperflüssigkeiten und Nierengewebe, um eindeutige pathologische Signaturen zu identifizieren. Weiterhin wird nach Antigenen und Antikörpern gefahndet, mit deutlichen Fortschritten bei den molekularen Mechanismen des Autoimmunprozesses.
Bahnbrechende Erkenntnisse wurden zur Penetranz (Anteil der Mutationsträger) gemacht. So ist bei der NPHS2-Glomerulopathie der Phänotyp direkt abhängig von den kombinierten Mutationen. Damit wurde erstmals in der Humangenetik eine mutationsabhängige rezessive Vererbung beschrieben.
Für therapeutische Zwecke wurden In-vitro- und In-vivo-Modelle für das Screening von Substanzbibliotheken und die Wirkstoffforschung entwickelt. Ergänzt durch andere Technologien wird dies diagnostische Fortschritte, Risikovorhersagen und Therapien vereinfachen.