Chemie und Biologie vereint gegen Krebs

Chemistry plus biology equals less cancer
Die Milliarden von Funktionen und Funktionsstörungen im Körper werden durch chemische Moleküle vermittelt. Neue experimentelle Techniken haben es jetzt ermöglicht, chemische Modifikationen im Zusammenhang mit Brustkrebs zu studieren.
Synthetische Chemie und Biologie bilden eine perfekte Verbindung, mit
der sich biologische Moleküle, die an pathologischen Prozessen beteiligt
sind, studieren lassen. Außerdem eignet sie sich auf einzigartige Weise
für die Entwicklung von Wirkstoffen entsprechend ihrer biologischen
Targets.
Chemische Biologen initiierten das EU-geförderte Projekt CHEMBIONMR
("Using chemical-biology to synthesis and study nuclear receptor
proteins"), um einige der Moleküle und Molekülteile, die bei Brustkrebs
eine wichtige Rolle spielen, zu entwirren. Der Schwerpunkt dabei lag auf
Östrogenrezeptoren (ÖR). Etwa 75% aller Brustkrebsfälle sind
ÖR-positiv, was bedeutet, dass Östrogen für das Wachstum des Tumors
sorgt.
Post-translationale Modifikationen (PTM) von Molekülen treten auf,
nachdem Ribosomen den Code von Boten-RNA in spezifische Aminosäureketten
übersetzen. Sie spielen eine entscheidende Rolle in den folgenden
Funktionen vieler Moleküle und bilden wichtige Ziele für medikamentöse
Therapien. Außerdem sind sie für die ÖR-Funktion wichtig.
Bisher war es sehr schwierig, genau definierte ÖR-Konstrukte mit PTM
zu synthetisieren. CHEMBIONMR war hier erfolgreich und konnte PTM an
einem Ende der ÖR-Ligandenbindungsdomäne einführen: im Östrogen
bindenden Bereich des Rezeptors. Um die Auswirkungen der PTM auf die
ÖR-Aktivität zu untersuchen, führten die Forscher ortsspezifisch auch
eine fluoreszierende Sonde ein.
Die Forscher verwendeten eine Anzahl von biophysikalischen Methoden
(Fluoreszenzpolarisation, Zirkulardichroismus und kernmagnetische
Resonanz) und Simulationen der Molekulardynamik. Die Ergebnisse zeigten
einen PTM (Phosphorylierungs)-abhängigen aber Liganden-unabhängigen Pfad
zur ÖR-Aktivierung.
Dies ist besonders wichtig um zu verstehen, warum einige Formen von
Brustkrebs ÖR-negativ und resistent gegenüber dem Arzneimittel Tamoxifen
sind. Tamoxifen ist ein ÖR-Antagonist, also ein östrogenähnliches
Molekül, das um die ÖR-Ligandenbindungsstelle konkurriert. Mit Tamoxifen
lässt sich die Krebsprogression nicht immer verringern, da die
ÖR-Aktivierung in einigen Fällen von der Phosphorylierung des Rezeptors
abhängig und nicht ligandenbindend ist.
CHEMBIONMR hat nicht nur unser Verständnis von Brustkrebs und den
Mechanismen der ÖR-Aktivierung erweitert und ein therapeutisches Ziel
geliefert. Es wurden auch wichtige Instrumente für die Untersuchung der
PTM entwickelt, die so entscheidend für die zelluläre Signalisierung und
molekulare Funktion sind. Die Ergebnisse sollen die Erforschung von
Krankheitsprozessen und die anschließende Entwicklung neuartiger
Therapien mit Nutzen für Millionen von Menschen weltweit beschleunigen.
veröffentlicht: 2015-03-03