Die Studie, die in der Fachzeitschrift
„Genome Biology“ veröffentlicht und vom Imperial College London durchgeführt wurde, beschreibt ein „epileptisches Netzwerk“ von 320 Genen, das M30 genannt wird und mit Epilepsie zusammenhängt. Es wird angenommen, dass die Gene dieses Netzwerks daran beteiligt sind, wie die Gehirnzellen miteinander kommunizieren.
Die Ergebnisse der Studie deuten darauf hin, dass dieses Netzwerk Epilepsie auslöst, wenn es nicht richtig funktioniert. Das Forschungsteam ist der Meinung, dass Medikamente, die dieses Netzwerk wiederherstellen können, neue innovative Behandlungsmöglichkeiten für die schwächende Funktionsstörung bieten könnten. Tatsächlich sollte die Forschung nach Epilepsiemedikamenten durch diese Entdeckung neuen Auftrieb erhalten, da viele Pharmaunternehmen ihre Forschung nach neuen Medikamenten gegen diese Krankheit gestoppt haben.
„Epilepsie ist weltweit eine der häufigsten schweren neurologischen Erkrankungen“, kommentierte Hauptautor Professor Michael Johnson. „Doch obwohl es fast 30 verschiedene lizenzierte Medikamente zur Behandlung der Krankheit gibt, leidet ein Drittel der Epilepsiepatienten weiterhin an unkontrollierten epileptischen Anfällen – obwohl sie Medikamente einnehmen. Tatsächlich gab es bei der Suche nach wirksamen Epilepsiemedikamenten in den letzten 100 Jahren nur sehr geringe Fortschritte.“
In der Studie stellt man fest, dass das Gennetzwerk bei einer Epilepsie, die durch genetische Ursachen oder durch Hirnverletzungen, wie zum Beispiel infolge eines Schlaganfalls, eines Tumors oder einer Infektion, verursacht wurde, nicht richtig zu funktionieren scheint. Die Krankheit kann eine Reihe von Symptomen verursachen, von einem seltsamen Gefühl über tranceähnliche Zustände bis hin zu schweren Krämpfen und Bewusstseinsverlust. Der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zufolge leiden weltweit 50 Millionen Menschen an dieser Krankheit, darunter 6 Millionen in Europa.
Das Forschungsteam, das mit der Duke-NUS Medical School in Singapur zusammenarbeitete, verwendete für seine Forschung rechnergestützte Technologien, um tausende von Genen und Mutationen zu scannen, die mit Epilepsie in Zusammenhang stehen. Sie betrachteten zudem Daten von gesunden Gehirnen, um Gennetzwerke zu identifizieren, die zusammenzuarbeiten scheinen und mit der Krankheit assoziiert werden. Um zu bestätigen, dass Störungen in diesem Gennetzwerk Krampfanfälle verursachen, nutzte das Team ergänzende Daten von Mäusen. Schließlich analysierte es 1 300 bekannte Medikamente, um prognostizieren zu können, welche zur Wiederherstellung des Gennetzwerks beitragen könnten – eins der entdeckten Medikamente war eine bekannte Epilepsiebehandlung namens Valproinsäure.
Die Studie deutete auch auf viele andere Medikamente hin, die bisher nicht als konventionelle Medikamente gegen Epilepsie angesehen wurden. Eines davon war Withaferin A, ein Präparat, das aus einer Pflanze gewonnen wird, die als Indischer Ginseng bekannt ist und seit Jahrhunderten in der Ayurvedischen Medizin eingesetzt wird, um eine Reihe von Krankheiten, einschließlich Epilepsie, zu behandeln.
Professor Johnson fügte hinzu, dass die in dieser Studie angewandte Methode, welche „Netzwerk-Biologie“ genannt wird und bei der Computersysteme verwendet werden, um Gennetzwerke zu identifizieren, die zusammenarbeiten, um Krankheiten zu fördern, auch die Chance bieten könnte, Behandlungsmöglichkeiten für andere Krankheiten zu finden.
„Bis vor kurzem haben wir nach einzelnen Genen gesucht, die mit Krankheiten in Verbindung stehen und anschließend für Pharmaunternehmen das Target für Behandlungsmöglichkeiten sind“, erläuterte er. „Allerdings sind wir immer mehr zu der Erkenntnis gekommen, dass Gene nicht isoliert funktionieren. Wenn wir Gengruppen identifizieren, die zusammenarbeiten, und diese Gennetzwerke dann als Target nutzen, so könnten wir zu wirksameren Behandlungsmethoden kommen. Unsere Machbarkeitsstudie legt nahe, dass uns dieser Ansatz der Netzwerk-Biologie helfen könnte, neue Medikamente gegen Epilepsie zu finden, und die Verfahren könnten auch auf andere Krankheiten angewandt werden.“
Die Studie wurde zum Teil durch die Projekte EPITARGET und IGENEE finanziert, die selbst im Rahmen des RP7 gefördert werden. Während das Projekt IGENEE, das vom Imperial College London koordiniert wurde, offiziell im August 2016 endete, wird das Projekt EPITARGET bis Oktober 2018 fortgesetzt.
Weitere Informationen:
EPITARGET-WebsiteIGENEE-Projektseite bei CORDIS