Unsere Zukunft wird wahrscheinlich von vielen „Systemen von Systemen“ abhängen – Netzwerke technischer Operationen, die selbstständig arbeiten, aber gemeinsam handeln müssen. Der nächste Schritt zur Optimierung der technologischen Effizienz könnte darin bestehen, die erforderlichen Bedingungen zu schaffen, damit alle Arten von Systemen zusammenarbeiten können. Das im September 2016 abgeschlossene EU-finanzierte Projekt DYMASOS (Dynamic Management of Physically Coupled Systems of Systems) hat neue Managementtechniken und Engineering-Werkzeuge für diese „cyber-physischen“ Systeme von Systemen entwickelt. Ein verbessertes Management führt zu einer besseren Leistung und könnte unseren Ressourcenverbrauch sowie unsere CO2-Emissionen deutlich senken.
„Das Projekt hat einen wichtigen Beitrag geleistet, so dass erste konkrete Schritte zur Realisierung und Konkretisierung eines neuartigen Forschungsfeldes – dem Internet der Dinge – unternommen werden konnten“, sagt Dr. Iiro Harjunkoski von ABB Corporate Research in Deutschland, der ein Mitglied des DYMASOS-Konsortiums ist. So lassen sich Alltagsobjekte über das Internet vernetzen: Man ermöglicht ihnen, Daten zu senden und zu empfangen und gibt jedem System die Fähigkeit, „intelligent“ zu sein und sich mit anderen Systemen zu koordinieren.
Reale industrierelevante Fallstudien
DYMASOS basierte auf realen industrierelevanten Fallstudien. Diese wurden durch eine gründliche Analyse der Märkte, der Bedürfnisse der Industrie und der Herausforderungen der industriellen Projektpartner untermauert. „Die Forschungsarbeit wurde durch die Anwendungsfälle gesteuert, sie war aber dennoch darauf ausgerichtet, grundlegende Ergebnisse und neue Erkenntnisse zu erlangen“, erläutert Projektkoordinator, Professor Sebastian Engell von der Technischen Universität Dortmund.
Der Schwerpunkt der Fallstudien lag auf dem Gebiet der chemischen Produktion in den Unternehmen BASF und INEOS, die beide zu den größten Chemiekonzernen der Welt gehören sowie auf den Gebieten Betrieb und Technik der elektrischen Energieverteilung und der Infrastruktur, die zum Aufladen von Elektrofahrzeugen erforderlich ist. Hierfür wurden Daten von den Unternehmen HEP ODS, Kroatien und AYESA, Spanien, verwendet. „Die realistische Modellierung und Simulation ist eins der kritischen Themen des Projekts DYMASOS“, sagt Dr. Patrick Panciatici, Wissenschaftlicher Berater bei RTE, Frankreich.
Im Projekt DYMASOS wurden vier verschiedene Modellierungsansätze für Systeme von Systemen entwickelt. Im Vergleich zum Verhalten biologischer Systeme untersuchte die ETH Zürich, wie man das Bevölkerungsverhalten verstehen und kontrollieren kann. Sie versuchten beispielsweise, das nächtliche Ladeverhalten der Besitzer von Elektrofahrzeugen im Modell abzubilden, wobei ihnen lediglich Informationen zum durchschnittlichen Verhalten der Bevölkerung zu Verfügung standen. Eine Fallstudie zu Elektrofahrzeugen aus der Stadt Malaga, die von der Universität Sevilla durchgeführt wurde, bildete die Koalitionskontrolle im Modell ab – das bedeutet, wie man gemeinsam das Verhalten verschiedener Elemente in einem Prozess optimieren kann.
Die TU Dortmund erschuf zudem Modelle zu marktorientierten Mechanismen, mit denen man versucht, die Ergebnisse durch eine dynamische Preisgestaltung oder eine Beschränkung der Ressourcen zu optimieren, um Angebot und Nachfrage auszugleichen. Dieses Modell wurde auf eine petrochemische Anlage von INEOS in Köln und ein Reaktorsystem der BASF angewandt. Die Universität Zagreb entwickelte ein hierarchisches Kontrollmodell, bei dem sich die Netzkonfiguration dynamisch ändern kann, um Leistungsverluste zu minimieren. Das Modell basierte auf einer von HEP ODS bereitgestellten Fallstudie zu Stromverteilungsnetzen.
Breitere Anwendung
Groß angelegte Simulationen dieser komplexen Systeme konnten die Gültigkeit der entwickelten Management- und Kontrollalgorithmen erfolgreich nachweisen. Die Technikplattform aus dem Projekt DYMASOS bietet Leitlinien für die Gestaltung der aufkommenden Systeme von Systemen, die ein Gleichgewicht zwischen lokaler Autonomie und globalem Management schaffen.
DYNAMOS-Mitglied Mark Lewis, Low Carbon Consultant bei Tees Valley Unlimited, Vereinigtes Königreich, meint: „Im Projekt wurde eine Reihe praktischer Demonstrationen entwickelt, die auch das Interesse anderer Unternehmensbereiche oder anderer Gesellschaften wecken werden.“
Die Projektmitarbeiter aus der Industrie implementieren nun die im Rahmen von DYMASOS entwickelten Lösungen. Damit erhalten die europäischen Betreiber großer technischer Systeme und Anbieter von Management- und Automatisierungslösungen strategische Wettbewerbsvorteile wie Kosteneinsparungen, Energieeffizienz, höhere Stabilität und eine verbesserte Elastizität gegenüber Fehlern und Nachfrageveränderungen.
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