Welchen Wert hat eine Exascale-Rechenarchitektur ohne leistungsfähige numerische Simulationsmethoden, um ihr Potenzial zu realisieren? Wie kann die Konzeption industrieller Produkte wie etwa von Flugzeugen oder großen Gebäuden von einer derart erhöhten Rechenleistung profitieren? Diese Fragen standen im Mittelpunkt des
NUMEXAS-Projekts. Mit seinen neuen Simulationsverfahren sollte es Industrien, Regierungen und Wissenschaft in die Lage versetzen, routinemäßig multidisziplinäre große Probleme aus Technik und Ingenieurwesen zu lösen - und zwar sowohl mit hoher Effizienz als auch Einfachheit.
„NUMEXAS unterscheidet sich von anderen EU-finanzierten Exascale-Projekten in erheblichem Maße“, sagt Dr. Pooyan Dadvand, der das Projekt für das International Center for Numerical Methods in Engineering (CIMNE) in Barcelona, Spanien koordiniert. „Wir versuchen, HPC auf industrielle Probleme anzuwenden, indem wir uns auf Wechselwirkungen von Fluidstrukturen und komplexe Geometrien konzentrieren. Zum Beispiel ermöglichten uns unsere Lösungen, die Windbedingungen in Barcelona über ein 64x64km großes Gebiet mit einer Auflösung von 4m zu simulieren. Das ist bisher noch nie erreicht worden.“
Im Gegensatz zu üblichen Lösungen die ihre Berechnungen auf einfache Geometrien stützen - einen Würfel zum Beispiel - führt NUMEXAS einen unstrukturierten Netzgenerator ein, der komplexe Geometrien handhaben kann und in der Lage ist, Milliarden von Elementen zu generieren. „Das ist es, was uns näher an die Industrie bringt.Ein strukturiertes Netz ist eine Geometrie, die eine Kombination verschiedener Bausteine bildet und bei der die Blöcke in kleinere aufgeteilt werden können. Die Unterteilung dieser Blöcke ist sehr zeitaufwändig. Bei NUMEXAS arbeiten wir andererseits mit unstrukturierten Netzen und gehen zur automatisierten Netzgeneration über. Wir eliminieren auch die Notwendigkeit zur Reinigung der Geometrie. Wir können auch die Ergebnisse sehr effizient nachbearbeiten“, sagt Dr. Dadvand.
Indem die Notwendigkeit zur Reinigung der Geometrie entfällt, hat NUMEXAS HPC für die Industrie viel interessanter gemacht. Auf diese Weise kann nicht nur die Rechenzeit auf etwa 10 Minuten gesenkt werden, die normalerweise eine Woche betragen würde, um zum Abschluss zu kommen, sondern auch die zwei Monate, die zur Reinigung einer derart großen Geometrie benötigt werden, fallen dann gleichermaßen weg. Die Reduzierung der notwendigen Zeit, um die Ergebnisse herunterzuladen, ist ein weiteres wichtiges Ziel, an dem das NUMEXAS Team derzeit arbeitet.
Ein Beispiel für einen möglichen Mehrwert für die Industrie könnten Lösungen für thermomechanische Probleme bei der Fertigung umfassen, während Regierungen zum Beispiel von einer Simulation der Verschmutzungsströme in eine Stadt profitieren könnten, um zu sehen, welche Auswirkungen jede einzelne Quelle hat.
„Diese Simulation ist etwas, was wir meines Wissens nach tun können, wir sollten nur noch einige hinzufügen, um die Interaktion mit der Luft oder chemischen Stoffen zu messen“, sagt Dr. Dadvand. Auch die Cloud Computing Industrie könnte von den Projektergebnissen profitieren, und einige informelle Gespräche wurden bereits in die Wege geleitet.
Ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess
Nur wenige Monate vor dem Ende des Projekts konzentriert sich das Team auf die Fertigstellung der Testfälle. „Wir haben auch ein Arbeitspaket zur Optimierung des Codes, den wir bislang geschrieben haben“, betont Dr. Dadvand. „Wir versuchen, die Leistung zu verbessern und ebenfalls den Arbeitsspeicher besser zu managen.“ Der NUMEXAS-Löser wurde gleichermaßen angepasst, um Arbeiten an beweglichen Objekten zu ermöglichen.
Die Hochschulen können bereits von dem Projekt profitieren, da der NUMEXAS-Kern
KRATOS Multi-physics, der ein sehr langer Code mit viel interner Physik ist, quelloffen ist. Die Kommunikation mit der Industrie läuft derzeit mit Blick auf die Organisation gemeinsamer Projekte. „Ich glaube nicht, dass die Industrie schon bald Exascale einsetzen wird, aber wir sehen, dass sie bereits vor komplexen Problemen steht, für deren Lösung sehr große Maschinen erforderlich sind. Unser Ziel ist es, sie zumindest dem Petamaßstab näher zu bringen. Obwohl sie unsere Technologie im Moment nicht nutzen können, wollen wir nach NUMEXAS ein Folgeprojekt durchführen, um das zu tun“, sagt Dr. Dadvand.
Dr. Dadvand ist der Ansicht, dass es noch viel zu früh ist, um sagen zu können, ob schon bald ein Produkt auf den Markt kommen wird. „Es ist eine Frage von mindestens zwei Jahren. Diese Zeit ist notwendig, um unsere Prototypen in reale Produkte umzusetzen. Der Netzgenerator ist bereits ein Produkt, da er im erstem Jahr des Projekts bereits fertiggestellt wurde, aber die Vorbereitung des gesamten Systems auf die Kommerzialisierung wird noch einige Zeit dauern.“