Da in den letzten
Jahren große Fortschritte bei der Batterie- und Elektromotortechnologie
erzielt werden konnten, haben Hersteller damit begonnen, mehr
kommerzielle Elektrofahrzeuge zu produzieren, angefangen bei Bussen bis
hin zu Autos und Fahrrädern. Aber obwohl die Absätze rapide steigen,
gibt es immer noch weniger als 100.000 reine Elektrofahrzeuge auf den
Straßen Europas - dem gegenüber stehen mehr als 250 Millionen
konventionelle Fahrzeuge, von denen 90 % Pkw sind.
Mehrere Faktoren bremsen den Elektrofahrzeug-Markt, obwohl er
kostengünstigeren Transport, weniger Lärm, weniger Brennstoff-Importe
und geringere Emissionen von CO2 und anderen Schadstoffen verspricht.
"Das offensichtlichste Hindernis, womit sich erklären lässt, warum
die Verbraucher sich nur zögerlich für ein Elektrofahrzeug entscheiden
ist das Kosten-Leistungs-Verhältnis, das im Vergleich zu herkömmlichen
Fahrzeugen nicht sehr attraktiv ist", sagt Dr. Volker Scheuch, Forscher
bei der deutschen Automobilelektrik-Gruppe Intedis. "Einer der Nachteile
auf der Leistungsseite ist die kurze Reichweite von Elektrofahrzeugen
aufgrund der Batterie-Technologie, die sich immer noch am Anfang ihrer
Entwicklung befindet, und der Fahrzeugkonzepte, bei denen noch auf Ideen
aus Zeiten zurückgegriffen wird, in denen ein sparsamer Umgang mit
Ressourcen nicht wirklich ein Thema war."
Häufig basieren die Konstruktion und viele der Komponenten von
Elektrofahrzeugen noch auf den Funktionen ihrer herkömmlichen Vorläufer,
die eventuell nicht für die Effizienz und Sicherheit von
Elektrofahrzeugen optimiert wurden. Es reicht aber nicht aus, einfach
nur jede einzelne Komponente zu optimieren - die gesamte Architektur und
die Wechselwirkungen zwischen den Komponenten müssen auch verbessert
werden, wenn Elektrofahrzeuge ihr volles Potenzial ausschöpfen sollen.
Mehrere neue EF-Konzeptfahrzeuge verwenden parallele Motoren -
wodurch nicht nur eine höhere Wendigkeit und Leistung im Vergleich zu
konventionelleren Einzelmotorenkonstruktionen erzielt wird, sondern sich
auch die Energieeffizienz steigern lässt. Die sichere Steuerung von
zwei Motoren gleichzeitig ist eine enorme Herausforderung, für die eine
neue Systemarchitektur und eine Reihe elektronischer Geräte benötigt
werden, angefangen bei Sensoren bis zu Steuereinheiten.
Mit diesem Problem hat sich ein Forscherteam unter der Leitung von
Dr. Scheuch im Rahmen des Projekts "Safe and efficient electrical
vehicle" (EFUTURE) beschäftigt,
das mit Finanzmitteln in Höhe von 4 Mio. EUR von der Europäischen
Kommission unterstützt wurde. Sie wollen die nächste Generation von
Elektrofahrzeugen vorbereiten, indem sie intelligente Software
erarbeiten, mit der sich der Energiebedarf senken senken lässt, wobei
weiterhin dynamische Optimierungsentscheidungen zwischen Sicherheit und
Energieeffizienz getroffen werden können.
"Die Fahrzeuge von heute besitzen ein sehr hohes Niveau an
Betriebssicherheit, das auf die elektrische Generation übertragen werden
muss", so Dr. Scheuch. "Neue Probleme ergeben sich, wenn mehr als ein
Motor die Räder antreiben soll. Das haben wir bei EFUTURE untersucht -
welche zusätzlichen Anforderungen müssen für zwei parallele Frontmotoren
erfüllt werden und wie lassen sie sich in das Sicherheitskonzept des
Systems integrieren."
Neben anderen wichtigen Innovationen implementierte das Team
zentrale Entscheidungseinheiten, sodass die Motorsteuerungen bei
Ausfällen durch Redundanz gesichert sind, da sie auf dem Konzept der
"Funktionssicherheit" basieren - das bedeutet, dass jede Komponente oder
jedes System mit eventuellen Fehlern des Fahrers, Hardwareausfällen
oder Umweltveränderungen umgehen kann.
Dem Team gelang es, ein elektrisches Prototypfahrzeug zu entwickeln,
das nicht nur sicher ist, sondern auch einen höheren Wirkungsgrad
aufweist. Die Forscher konnten praktisch allein durch den Einsatz von
Software eine potenziell höhere Reichweite erzielen, als mit den meisten
existierenden Elektrofahrzeugen möglich ist.
Höhere Reichweite und Attraktivität von Elektrofahrzeugen
"Wir haben daher die Machbarkeit einer "virtuellen
Reichweiteerweiterung" nachgewiesen, für die keine Hardware nötig ist.
Hierfür haben wir neue fahrerunterstützende Funktionen verwendet, die
auf einer schlanken Architektur basieren, wobei gleichzeitig ein hohes
Niveau an Betriebssicherheit beibehalten werden kann", erklärt Dr.
Scheuch.
Das EFUTURE-Team entwickelte neue "weiterentwickelte
Fahrerassistenzsysteme" (Advanced driver assistance systems, ADASs), wie
u. a. einen ökologischen Tempomat, der die Fahrzeuggeschwindigkeit
automatisch an die Verkehrs- und Straßenbedingungen anpasst und
gleichzeitig die Effizienz erhöht, sowie einen Öko-Modus, der dem Fahrer
dabei hilft, seine Fahrgewohnheiten so verändern, dass weniger Energie
verbraucht wird.
Weniger sichtbar für den Fahrer, aber trotzdem nicht weniger wichtig
sind andere EFUTURE-Innovationen, wie z. B. ein automatisches
Sensorensystem zur Fahrzeugbeobachtung, mit dem sich die Sicherheit
erhöhen lässt, und ein Torque-Vectoring-System, das die Fahrstabilität
und den Fahrkomfort verbessert. Torque Vectoring erweitert auch die ABS-
und ESP-Funktionen auf das normale Fahren, sodass der Dynamikbereich
des Fahrzeugs erhöht wird.
"Außerdem gibt es Funktionen, die für den Fahrer unsichtbar sind,
wie z. B. das Fahrzeugenergiemanagementsystem und
Entscheidungseinheiten, die die Fahrbahn und die Antriebssteuerung
festlegen, was zu einer besseren Gesamteffizienz beiträgt", sagt Dr.
Scheuch.
Der Projektmanager erklärt, dass eine der größten Herausforderungen
für das Team darin bestand, Elektrofahrzeuge der ersten Generation so
anzupassen, dass es die Projektanforderungen erfüllt. Das zeigt, welche
Probleme entstehen, wenn alte Bauteile verwendet werden, die aus
Systemen in herkömmlichen Fahrzeugen stammen.
"Um unser Architektur-Konzept in Hardware umzusetzen, haben wir die
Kernkomponenten durch neue ersetzt: das Fahrzeugsteuergerät, das
Batteriesteuergerät, die Batterie und die Motoren. Außerdem haben wir
ein vollständiges System für die ADAS-Funktionalität (Kameras und Radar)
hinzugefügt und eine völlig neue Steuersoftware für alle Komponenten
integriert. Kurzum, wir haben ein ganz einfaches Fahrzeug in ein hoch
instrumentiertes Fahrzeug mit vielen innovativen Funktionen verwandelt",
sagt Dr. Scheuch.
Die Prototypkonzepte und -systeme, die von den Projektpartnern, zu
denen auch das europäische Technologiezentrum von Tata Motors gehört,
entwickelt wurden, werden sicherlich in künftigen Generationen von
Elektrofahrzeugen Anwendung finden.
"Viele der Ideen von EFUTURE werden in künftige Produkte und
Dienstleistungen der Partner einfließen. Die Domänenarchitektur der
Fahrzeugsteuerung, die Algorithmen, die ökologischen ADAS-Funktionen,
Sicherheitskonzepte und vieles mehr werden Gegenstand neuer
Forschungsprojekte oder sind bereits Bestandteil neuer Hardware-Produkte
für künftige Fahrzeuge", sagt der Projektmanager.
"Je innovativer die Konzepte für effizientes Fahren, desto höher die
Auswirkungen auf den Fahrzeugmarkt in Europa, und EFUTURE ist Teil
davon. Aus wirtschaftlicher Sicht haben wir einen machbaren Weg für die
Verbesserung der Reichweite von Elektrofahrzeugen aufgezeigt, wodurch
sich die Akzeptanz von Elektrofahrzeugen durch die Verbraucher
verbessert - sie bekommen mehr für ihr Geld."
EFUTURE erhielt Forschungsmittel innerhalb des Siebten Rahmenprogramms der Europäischen Union (RP7).
Link zum Projekt auf CORDIS:
- RP7 auf CORDIS
- Datenblatt des Projekts EFUTURE auf CORDIS
Link zur Projektwebsite:
- Website des Projekts "Safe and efficient electrical vehicle"
Weitere Links:
- Website der Europäischen Kommission zur Digitalen Agenda