Seit der
Intel-Mitgründer Gordon E. Moore 1965 seine Theorie beschrieb, haben
sich Schaltungsentwickler auf die ständige Erhöhung der Transistordichte
verlassen, um immer größere Chipleistungen in immer kleineren Paketen
zu erzielen. Jetzt kommt es allerdings aufgrund einiger physischer
Einschränkungen bei der Transistorskalierung - wie z. B. Überhitzung,
Energieverlust und Widerstand - dazu, dass sich mit herkömmlichen
Konzepten in der Halbleiterentwicklung nicht mehr die gleichen
Fortschrittsraten erzielen lassen werden.
Und das ist nicht die einzige Herausforderung für leistungsstärkere
und kleinere elektronische Geräte, die gemeistert werden muss. Das
Mooresche Gesetzt bezieht sich lediglich auf Leiterplatten, wie z. B.
CMOS-Chips (Complementary metal-oxide-semiconductor, CMOS), die in PCs,
Mobiltelefonen oder Digitalkameras zum Einsatz kommen. Eine voluminöse
Anordnung einzelner passiver Bauteile - u. a. Widerstände,
Kondensatoren, Spulen, Antennen, Filter und Schalter - die über eine
oder zwei Leiterplatten miteinander verbunden sind, werden immer noch
benötigt, damit Sie mit Ihrem Handy telefonieren oder Ihrer Kamera Fotos
aufnehmen können.
Für eine echte Miniaturisierung wird ein anderes Konzept benötigt:
eines, das auf moderner Nanotechnologie basiert, die unbegrenzte
Möglichkeiten und unbegrenzte Anwendungen zu bieten scheint. Indem mit
Hilfe winziger Nanostrukturen, wie beispielsweise Nanodrähte und
Nanomaterialien, (von denen jede zigtausendfach dünner als ein
menschliches Haar ist) neue Funktionen in CMOS-Chips integriert werden,
lassen sich mit dem "More-than-Moore"-Konzept weiterhin immer kleinere,
leistungsstärkere und effizientere elektronische Geräte herstellen. Und
zwar so klein, dass ein Computer in Tablettenform die Gesundheit
überwachen und Arzneimittel innerhalb des menschlichen Körpers
verabreichen oder ein vollständiges intelligentes Haussteuerungssystem
in ein Gehäuse von der Größe einer Kreditkarte verbaut werden könnte.
"Nanostrukturen und Nanodrähte wurden für künftige CMOS in den
kommenden Jahren in Betracht gezogen. Aktuelle Tätigkeiten, bei denen
mit Nanostrukturen, insbesondere Nanodrähten, innovative
"More-than-Moore"-Produkte hergestellt werden sollen, sind viel
versprechend", sagt Dr. Francis Balestra, Direktor des Sinano-Instituts
am französischen Centre National de la Recherche Scientifique (CNRS) und
Forscher beim INP-Minatec in Grenoble.
Geräte im Nanomaßstab
Im Exzellenznetz "Beyond CMOS nano-devices for adding
functionalities to CMOS" (NANOFUNCTION) arbeiteten Dr. Balestra und ein
Team von Forschern aus 15 Partnern aus Wissenschaft und Industrie in 10
europäischen Ländern daran, wie Nanostrukturen in CMOS-Chips integriert
werden können, um eine Vielzahl neuer Funktionen in einem winzigen
Maßstab unterzubringen. Mit Hilfe von Forschungsfördermitteln der
Europäischen Kommission in Höhe von 2,8 Mio. EUR konzentrierte sich das
Konsortium vorrangig auf besonders sensible Nanosensoren, die Signale in
Molekülen erfassen, Nanostrukturen für die Energieernte zur Entwicklung
autonomer Nanosysteme, Nanogeräte für die Punktkühlung integrierter
Schaltkreise und Nanogeräte für die RF-Kommunikation.
"Diese Nanogeräte werden in der Zukunft für Nanosysteme benötigt,
die nur sehr wenig Strom verbrauchen oder autonom sind und in
vielfältigen Anwendungen eingesetzt werden können. Hierzu gehört u. a.
auch die Überwachung von Gesundheit und Umwelt sowie das 'Internet der
Dinge'", erklärt Dr. Balestra.
Systems-in-Package- oder System-on-Chip-Geräte im Nanomaßstab, die
über Verarbeitungsleistung mit Sensoren, RF-Kommunikation und eine Reihe
anderer Funktionen verfügen, könnten zur Erkennung aller Arten von
Substanzen, ob toxisch oder unkritisch, eingesetzt werden, wie z. B.
auch Chemikalien in der Umwelt, in Lebensmitteln und im menschlichen
Körper.
Im Projekt NANOFUNCTION gelang es den Forschern den aktuellen Stand
der Technik voranzubringen, indem sie ein kostengünstiges und hoch
effizientes Nanodraht-Sensor-Array entwickelten, das mehr als 1000
Silizium-Nanodrähte enthält und über verschiedene Sensor-Elemente
verfügt, mit denen gleichzeitig mehrere Moleküle erkannt werden können.
Um das Array zu testen, entwickelte des Team effiziente
Funktionalisierungsverfahren für die DNA-Transplantation - ein modernes
und hoch experimentelles Verfahren, in dem ein Segment der DNA entfernt
und durch eine andere Form der DNA-Struktur ersetzt wird.
Ferner zeigte das Team auf, wie Nanostrukturen neben ihrer Funktion
als Sensoren auch zu wichtigen Verbesserungen bei existierenden
Sensortechnologien und anderen elektronischen Anwendungen beitragen
können. Durch ihre Arbeit auf dem Gebiet der "Kühltronik" konnte das
Team belegen, dass enorme Leistungsverbesserungen oder neue
Betriebsregimen ermöglicht werden, wenn wichtige Komponenten in einem
elektronischen Schaltkreis mit extrem niedrigen Temperaturen gekühlt
werden. Ihr Ansatz basiert auf einer neuen Art von "Elektronenkühlung",
bei der verspanntes Silizium in Verbindung mit einem Supraleiter zum
Einsatz kommt, und die bisher bei Strahlungssensoren im Terahertzbereich
getestet wurden. Bei diesen Strahlungssensoren handelt es sich um eine
neue Technologie, die im Frequenzbereich zwischen Mikrowellen und
Infrarotlichtwellen arbeitet und viele potenzielle Einsatzgebiete hat,
wie z. B. in Anwendungen der medizinischen Bildgebung, Sicherheit und
Raumfahrt.
In ähnlicher Weise verfolgte das Konsortium einen modernen Ansatz
bei der Verwendung von Nanostrukturen für die RF-Kommunikation, wo es
das Potenzial von Nanodrähten als effiziente RF-Verbindungen und
-Antennen untersuchte - eine Technologie, mit der die Entwicklung viel
kleinerer Kommunikationsgeräte möglich sein könnte.
Nano-Strom
Wo aber bekommt ein derart kleines Gerät den notwendige Strom her?
Herkömmliche Batterien haben noch lange nicht Nanogröße erreicht. Die
Forscher von NANOFUNCTION untersuchen daher Möglichkeiten, die Energie
für Nanogeräte aus ihrer unmittelbaren Umgebung zu gewinnen und setzen
hierbei auf Energie aus Vibrationen, Bewegungen, Wärme oder
Solarenergie, die dann in aktiven, als Nanobatterien agierenden
Materialien gespeichert werden. Die Entwicklung ebnet den Weg für
vollständig autonome Nanogeräte, die sich selbst mit Energie versorgen
können.
"Diese Nanotechnologien werden in Kombination in künftige autonome
Nanosysteme integriert, die für vielfältige Anwendungen benötigt werden.
Die größten Herausforderungen sind die Entwicklung CMOS-kompatibler
Technologien und die Senkung des Energieverbrauchs durch Sensoren,
Rechenleistung und RF-Kommunikation sowie die Steigerung der
Energieausbeute aus der Umgebung", sagt Dr. Balestra.
Außerdem merkt er an, dass im NANOFUNCTION-Projekt viele Probleme
gelöst werden konnten und das die Arbeit des Teams dazu beiträgt, die
weitere Miniaturisierung von Geräten voranzutreiben.
"Die Miniaturisierung bleibt ein wichtiges Mittel für
Preissenkungen, mehr Funktionalität und die Integration in andere
elektronische Geräte. Darüber hinaus können Nanostrukturen die
eigentliche Leistung von Geräten verbessern oder neue Funktionen
ermöglichen, wie z. B. die Erkennung mit ultrahoher Empfindlichkeit",
erklärt er.
Indem es den aktuellen Stand der Technik voranbringt und umfassende
Informationsverbreitungsaktivitäten in der europäischen und
internationalen Nanotechnologiegemeinschaft durchführt, stellt die
Arbeit von NANOFUNCTION einen wichtigen Meilenstein auf diesem Gebiet
dar.
"Davon werden sowohl die europäische Industrie als auch die
europäische Gesellschaft profitieren, da die langfristige Integration
vorbereitet wird, auf die sich Europa stützen kann, um die Erforschung
moderner technischer Entwicklungen auf diesem strategischen
"More-than-Moore"-Gebiet zu untermauern, auf dem Europa bereits eine
führende Position einnimmt", sagt Dr. Balestra.
Er bemerkt jedoch, dass es wahrscheinlich 10 bis 20 Jahre dauern
wird, bevor derartige moderne Nanogeräte in kommerzielle Anwendungen
Einzug halten.
"Für den kommerziellen Einsatz sind noch weitere Forschungsarbeiten
notwendig, um diese Nanokomponenten für sehr wichtige Anwendungen in der
europäischen Wirtschaft und Gesellschaft zu optimieren", sagt er.
NANOFUNCTION erhielt Forschungsfördermittel unter dem Siebten Rahmenprogramm (RP7) der Europäischen Union.
Link zum Projekt auf CORDIS:
- RP7 auf CORDIS
- Datenblatt des Projekts NANOFUNCTION auf CORDIS
Link zur Projektwebsite:
- Website des Projekts "Beyond CMOS nano-devices for adding functionalities to CMOS"
Links zu weiterführendem Video:
- Video des Projekts NANOFUNCTION
Weitere Links:
- Website er Europäischen Kommission zur Digitalen Agenda