Klangliche Beratung: Modellierung von Konzertsälen

Haben Sie jemals ein Ingenieur bei der Leitung eines imaginären Orchesters gesehen? Wir stellen uns Wissenschaftler immer vor, wie sie in einem Labor arbeiten, aber Professor Tapio Lokki, von der Aalto University School of Science in Finnland, hat die letzten Jahre damit verbracht, in Konzertsälen sorgfältige Messungen ihrer Eigenschaften vorzunehmen. "Karaoke" ist japanisch für "leeres Orchester" – und in gewisser Weise hat er auch soetwas entwickelt, um seine Untersuchungen zu vereinfachen. Die Forschungsarbeiten könnten das Gebäudedesign verbessern und zu einer Form akustischer "Augmented Reality" (AR) führen.

"Konzertsäle wurden untersucht, seit vor mehr als 100 Jahren die berühmtesten gebaut wurden", sagt er, "aber es ist immer noch ein Rätsel, warum manche besser sind als andere. Und wenn ein neuer Konzertsaal gebaut wird, weiß man vorher immer noch nicht, wie er später klingen wird." Was ist für einen guten Konzertsaal ausschlaggebend? Diese Frage versucht Prof. Lokki zu beantworten. Seine Forschungsarbeiten könnten sogar die Entwicklung einer neuen Form von Multimedia-Augmented-Reality sowie bessere Designs für Hörsäle ermöglichen. "Wir benötigen mehr fundierte Erkenntnisse, die mit Hilfe von Modellierung, Psychologie, Messungen, Musik-Ästhetik und Akustik ermittelt werden können", erklärt er, "um das Verhalten der Schallwellen, die von 100 Musikern in einer komplexen physikalischen Umgebung erzeugt werden, und die Auswirkungen für verschiedene Zuschauer an unterschiedlichen Plätzen zu messen und zu simulieren." "Test, Test, 1 - 2 - 3 ..."

Aber akustische Vorlieben – und auch die Klangqualität – sind sehr subjektiv, wie können wir daher solche Dinge wissenschaftlich messen? "Wir brauchten subjektive und objektive Maßnahmen", sagt Prof. Lokki. Also beschloss er, einige Ideen aus anderen Bereichen, die subjektive Meinungen quantifizieren müssen, zu entleihen – und zwar aus der Lebensmittel- und Weinbranche. "Wir baten die Zuhörer, ihre eigenen Ausdrücke zu definieren, um die Klangqualität der Aufnahmen aus verschiedenen Konzertsälen zu beschreiben – "Bässe", "Klarheit" usw. – und sie zu bewerten. Daraus ergeben sich sensorische Profile und Präferenzordnungen für jeden Saal." Aber sein Team musste auch eine Norm bereitstellen, mit der sich diese subjektiven Meinungen messen lassen – wie lässt sich dabei sicherstellen, dass jeder seine Rückmeldung auf genau die gleichen Klangqualitäten bezieht? Hier kommt das "leere Orchester" ins Spiel. "Wir haben einen 'Symphonie-Orchester-Simulator' mit 34 Lautsprechern gebaut", erklärt Prof. Lokki. Jeder Lautsprecher wird auf jeder Konzertbühne an der gleichen Stelle platziert und spielt eine Studio-Aufnahme eines einzelnen Musikers und Instruments ab. "Sie spielen immer das gleiche Stück mit denselben Musikern und dann zeichnen wir den Gesamtklang an identischen Sitzplätzen in jedem Saal auf – daher ist die einzige Variable die Architektur." Dann luden die Forscher für jede Studie 20 Zuhörer ein und spielten das Stück ab, wobei sie zwischen den Aufnahmen umschalteten und so von Sitz zu Sitz und von Halle zu Halle sprangen. "So können wir die Hallen wirklich vergleichen", fährt er fort. Das Team hat bisher vor allem Profile finnischer Konzertsäle erstellt – und mit Hörsälen in ganz Europa begonnen. Und jetzt arbeiten sie an mathematischen Modellen, um dieses qualitative Forschung zu ergänzen.

Von der Simulation von Orchestern zur Simulation der Akustik

Diese multidisziplinäre Forschung braucht für gute Ergebnisse ein großes Team. Dank der Finanzmittel des ERC für das Projekt "Physically-based Virtual Acoustics" (PHDVIRTA) konnte Prof. Lokki Experten aus verschiedenen Bereichen gewinnen: zuerst vier Doktoranden, zu denen jetzt auch noch drei Postdoktoranden kommen. "Der Klang ist nicht wie das Licht — er existiert bei Wellenlängen zwischen 17 m und 1,7 cm – daher spielen Echoverzögerungen, Brechungen an Ecken und Wandschwingungen eine Rolle – sodass es bis zu einer vollständigen Computersimulation jedes Saals immer noch ein langer Weg ist", erklärt Prof. Lokki. "Aber dank unseren Messungen können wir die spezifischen Effekte, die beispielsweise Bässe reduzieren, reproduzieren und unsere 3D-Simulationen zeigen, dass, z. B. Treppenhäuser an bestimmten Stellen als Filter wirken und die Sprachverständlichkeit beeinflussen." Die Forscher können Visualisierungen von Schallenergie produzieren – Reflexionen und ihre Richtungen nachverfolgen sowie die relevanten Oberflächen identifizieren – und diese in Plänen und Zeichnungen überlagern. Dadurch könnten sich wertvolle Ratschläge für den Bau neuer Konzertsäle, Hörsäle und sogar Bibliotheken oder Einkaufszentren ableiten lassen. "Hinsichtlich einer anderen Anwendung arbeiten wir an Augmented Reality für den Klang mit dem Nokia Research Center zusammen", fährt er fort. "Für visuelle AR werden Smartphones oder die Google-Brille benötigt, aber wir können mit einem Mikrofon Kopfhörer "transparent" machen – das Gegenteil von Geräuschunterdrückung – und dies auf, sagen wir, ein Drei-Wege-Telefongespräch anwenden, das ausblendet wird, wenn man sich den Personen nähert mit denen man spricht. Oder man kann damit die akustische Umgebung verbessern. "Darüber hinaus haben wir Hunderte von Downloads unserer Musik-Dateien aus dem Orchester-Simulator und diese werden nun verwendet, um auf unsere Forschung auf der ganzen Welt aufzubauen", schließt er.
- Quelle: Prof. Tapio Lokki
- Projektkoordinator: Abteilung für Medientechnik, Aalto University School of Science, (Finnland)
- Projekttitel: Physically-based virtual acoustics
- Projekakronym: PHDVIRTA
- Website des PHDVIRTA-Projekts
- RP7-Finanzierungsprogramm (ERC-Aufforderung): Starting Grant 2007
- Finanzierung durch die EK: 880 000 EUR

- Projektlaufzeit: 5 Jahre 11 Monate
- Ausgewählte Veröffentlichungen:
- "Concert hall acoustics assessment with individually elicited attributes", J. Acoust. Soc. Am., Volume 130, Issue 2, (2011); Tapio Lokki, Jukka Pätynen, Antti Kuusinen, Heikki Vertanen & Sakari Tervo; pp. 835-849
- "Disentangling preference ratings of concert hall acoustics using subjective sensory profiles," Journal of the Acoustical Society of America, Volume 132, Issue 5, (2012); Tapio Lokki, Jukka Pätynen, Antti Kuusinen & Sakari Tervo; pp. 3148-3161
- "Temporal Differences in String Bowing of Symphony Orchestra Players", Journal of New Music Research, Volume 41, Issue 3, (2012); Jukka Pätynen, Sakari Tervo & Tapio Lokki; pp. 223-237

veröffentlicht: 2015-01-21
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