Keramische Materialien verfügen über sehr nützliche Eigenschaften für viele technische Anwendungen, Zuverlässigkeit und Lebensdauer stellen allerdings ihre Achillesferse dar. Ein EU-finanziertes Forscherteam kombinierte experimentelle und numerische Methoden, um diese Schwachstellen zu beseitigen.
Studien zur Hochleistungskeramik haben deren außergewöhnlichen
mechanischen, thermischen und tribologischen Eigenschaften besonders für
Anwendungen bei modernen Wälz- und Gleitlagern oder für
Metallverarbeitungs- und Schneidwerkzeuge hervorgehoben. Das Team von
ROLICER
(Enhanced reliability and lifetime of ceramic components through
multiscale modelling of degradation and damage) überbrückte die
Wissenslücke, die derzeit in Bezug auf mikrostrukturelle Eigenschaften
von Keramiken und deren Beschädigung und Abbau existiert. Da die
keramische Mikrostruktur das makroskopische Verhalten von Keramik
steuert, wird sich eine Degradation auf Mikroebene auf die
Zuverlässigkeit von Komponenten im Betrieb auswirken.
Die Forscher kombinierten eine Kette von Simulationswerkzeugen und gezielte Modellversuche, um die Beschädigungsmechanismen zu modellieren, die Lebensdauer und Zuverlässigkeit von Siliziumnitrid beeinflussen. Berechnungen und Simulationen von Frakturen im atomaren Maßstab können die Ausrichtung und die Ebenen aufzeigen, wo Brüche am wahrscheinlichsten im größeren Maßstab auftreten. Außerdem ist es mithilfe von Makrosimulationen möglich, Spannungsgradienten, die den Spannungszustand am Riss beeinflussen, zu identifizieren und somit direkt bestimmte Entwurfs- oder Belastungsempfehlungen zu formulieren.
Mittels Finite-Elemente-Analyse untersuchten die Forscher erfolgreich das Bruchverhalten von Siliziumnitrid bei unterschiedlichen Belastungen. Kohäsivmodelle halfen dabei, den Beginn und die Ausbreitung von kleinen Rissen im Bereich zwischen 10 und 100 μm zu simulieren und vorherzusagen. Für längere Risse, verwendet das Team die erweiterte Finite-Element-Methode.
Auf der atomistischen Skala lag der Fokus auf einer möglichst genauen Modellierung der Eigenschaften von Körnern, Kornschnittstellen, Großstrukturen und interkristallinen Schnittstellenfilmen (IGF), die an den Korngrenzen vorkommen. Anhand dieser Simulationen konnten die Forscher die Kohäsionsfestigkeit von Siliziumnitridkörnern mit oder ohne Defekten und Unreinheiten untersuchen. Außerdem erleichterten IGF-Simulationen Untersuchungen der Haftung zwischen den Körnern.
Basierend auf Erkenntnissen aus numerischen Simulationen konzentrierte sich die Arbeit sowohl auf das Materialdesign als auch auf die Umsetzung in der Industrie. Das Team produzierte und testete erfolgreich zwei Siliziumnitridstärken speziell für Warmwalzen. Die keramischen Walzen verarbeiteten 150.000 kg unterschiedliche Stahlqualitäten, einschließlich einer bisher nicht verwendeten Menge von Superlegierungsdrähten auf Nickelbasis.
Die vom ROLICER-Team durchgeführte Arbeit ist auf bestem Wege, für Anwendungen in der Industrie umgesetzt zu werden. Die Projektergebnisse sollen helfen, die Bandbreite von Hochleistungssystemen, die keramische Komponenten nutzen, einschließlich Keramikzahnräder und Gleit- und Reibungssysteme, erheblich zu erweitern.