Wasserstofftransfer in großen Systemen
Reaktionen, die Wasserstoff oder Protonen (Wasserstoffionen) übertragen, gehören zu den grundlegendsten und sogar wichtigsten Reaktionen in industriellen und biologischen Anlagen. Ein neuer Berechnungsrahmen beschreibt sie nun erstmalig auf effiziente und genaue Weise.
Eine experimentelle Untersuchung der Wasserstofftransferreaktionen ist
schwierig, da die Reaktionen im ultraschnellen Femtosekundenbereich vor
sich gehen und die Enzymsysteme zu groß sind, um Feinspektren zu
erzielen. Aufgrund der Quantendynamik eines Protons ist deren
theoretische Beschreibung in großen Systemen eine wahre Herausforderung.
Genaue Berechnungsalgorithmen erfordern ein Gleichgewicht zwischen
der Erfassung starker Quanteneffekte bei geringer Anzahl der
Freiheitsgrade und schwacher Quanteneffekte innerhalb des großen
Gesamtsystems. Wissenschaftler konnten nun dank der EU-Finanzhilfe für
das Projekt "VASPT2: A method for targeted quantum dynamics of hydrogen
transfer reactions" (VASPT2) ein derartiges Verfahren entwickeln.
Die Forscher unterteilten das System in aktive Regionen (klein und
lokal) und Bath-Regionen (groß und global). Das Team wandte dann einen
rechnerisch aufwendigen Ansatz auf die aktiven Regionen an und
behandelte den Rest des Systems sowie die Kopplung zwischen zwei
Regionen mittels eines Molekularfeld-Ansatzes (Mean-Field). Letzterer
konzentriert sich auf ein Teilchen oder eine Einheit und ersetzt alle
Interaktionen mit den anderen Einheiten durch eine durchschnittliche
(dem Mittelwert entsprechende) Interaktion. Die neue Methode wurde auf
Ameisensäure, ein Prototypsystem mit schwachen und starken
Korrelationen, angewendet. Anhand von theoretischen Vorhersagen von
Schwingungswellenfunktionen (fundamentalen Spektralbändern) wurde
gezeigt, dass sie recht gut mit den experimentellen Werten
übereinstimmen.
Das Team entwickelte außerdem eine Methode, um semi-globale
Potentialhyperflächen im Zusammenhang mit Wasserstofftransferreaktionen
zu beschreiben. Auch hier gibt es einen Kompromiss zwischen dem
Rechenaufwand und dem Erfordernis, die Quantendynamik zu beschreiben.
Die VASPT2-Mitglieder nutzten einen neuartigen linearen
Regressionsansatz, um die semi-globalen Potentialhyperfläche so
anzupassen, dass ein "Over-Fitting" minimiert wird, aber keine nicht
physikalischen Löcher erzeugt werden.
Die innerhalb einer neuen Programm-Suite für Quantendynamik mit der
Bezeichnung DYNAMOL implementierten neuartigen Frameworks erzeugen
rechnerisch effiziente und genaue Beschreibungen von
Wasserstofftransferreaktionen. Sie sollen dazu dienen, Antworten auf
eine der wichtigsten offenen Fragen der Biochemie zu finden: Sind
Quanteneffekte entscheidend für enzymatische Reaktionen? VASPT2 leistete
damit einen unschätzbaren Beitrag zum Design einer verbesserten
Katalyse, die so wichtig für technisch relevante Reaktionen ist.
veröffentlicht: 2015-03-11