Der Elektronenemissionsdynamik auf der Spur
Das Verständnis der Evolution superangeregter Zustände (oberhalb des Schwellenwerts für Elektronenemission) könnte letztlich zu einer Kontrolle chemischer Reaktionen hinführen. Ein neuartiges experimentelles System zur Initiierung und Untersuchung derartiger Zustände wird nun die damit verbundenen Arbeiten unterstützen.
Das Weltall besteht aus einer festen Anzahl von Elementen, die alle
Sorten von Molekülen bilden. Diese Moleküle sind keineswegs statisch und
unveränderlich, sondern immerzu in Bewegung. Die Elektronen und Kerne
sind aktiv und unterliegen komplexen dreidimensionalen
Konformationsänderungen. Die Molekulardynamik bestimmt die Eigenschaften
der Materialien und die Funktionen biologischer Systeme und
superangeregte Zustände stellen ein Fenster zu quantenmechanischen
Mechanismen dar.
Derartige Zustände können nicht in neutralen Grundzustandsmolekülen
unter Einsatz konventioneller Femtosekundenlaser ausgelöst werden, deren
Fähigkeiten durch deren mögliche Wellenlängen begrenzt sind. Die
Wissenschaftler überwanden diese Hürde, indem sie derartige Zustände aus
schnellen Strahlen negativer Ionen oder metastabilen neutralen Spezies
initiierten, die energetisch näher an den superangeregten Zuständen
liegen. Die EU-Finanzhilfen des Projekts "Time resolved superexcited
state dynamics" (EXTREME DYNAMICS) verschafften ihnen die Möglichkeit
dazu.
Ein maßgeschneiderter Laser wurde mit einem Impulsformer zur
Steuerung und Optimierung der spektralen Phase ultraschneller Impulse
ausgestattet. Man konstruierte einen Aufbau für schnelle Ionenstrahlen,
um kalte Molekular- und Clusteranionen (durch Zugabe von Elektronen zu
neutralen Spezies erzeugte negativ geladene Spezies) zu erschaffen.
Das Team integrierte dann ein System zur Photofragmentspektroskopie.
Es beruht auf einem sehr hoch auflösenden Bildverarbeitungssystem und
einem Zeit-Digital-Wandler. Die Ausrüstung misst die Zeit, in der
Fragmente auf einen Mikrokanalplattendetektor auftreffen, und die
zweidimensionalen Positionen der Fragmente auf dem Detektor. Ein
speziell dafür vorgesehenes Spektrometer ermöglicht die Trennung von
Produkten.
In der Anwendung des Aufbaus ergab sich ein neuartiges
Mehrfach-Ablöse-Szenario. In einigen Fällen werden zwei oder mehr
Elektronen vom Mutteranion-Molekül (negativ geladen) ausgestoßen. Ein
Verlust der überschüssigen Elektronen, die dem Molekül eine negative
Ladung verliehen haben, sowie ein oder mehrere zusätzliche von diesen
ergeben kationische (positiv geladene) Produkte. Die Forscher nutzten
ihre neu gebauten Instrumente zur Charakterisierung eines neuen,
hocheffizienten, nicht-sequenziellen Mechanismus und bewiesen, dass er
sich von einem gut etablierten Doppelionisationsmechanismus neutraler
Systeme unterscheidet.
Der im Rahmen des EXTREME DYNAMICS-Projekts erreichte Fortschritt
zog zahlreiche Publikationen und die Entwicklung eines neuen Kurses an
der Gastgebereinrichtung sowie Workshops und Seminare an anderen
Institutionen nach sich. Die Resultate werden die Modellierung,
Vorhersage und letztlich die Kontrolle des Ergebnisses chemischer
Reaktionen unterstützen.
veröffentlicht: 2015-02-03