Mit einer durchschnittlichen, weiter ansteigenden Lebenserwartung von 78 Jahren können sich Europäer auf ein längeres Leben freuen. Diese Lebendauer ist jedoch nicht zwangsläufig gesund, da der Beginn von altersbezogenen Erkrankungen diese positive Entwicklung nicht mitmacht.
Um den Alterungsprozess besser zu verstehen, hat ein internationales Forscherteam sich in einer Studie mit verschiedenen Arten von Fledermäusen befasst. Die Ergebnisse wurden vor Kurzem in der Zeitschrift
„Science Advances“ veröffentlicht.
Die Studie, die einen EU-Forschungszuschuss für das Projekt AGELESS erhielt, untersuchte die Telomere von vier unterschiedlichen Arten von Wildfledermäusen, um zu ermitteln, welche bzw. ob diese für die lange Lebensdauer von Fledermäusen eine Rolle spielen. Unter den Säugetieren sind Fledermäuse die im Verhältnis zu ihrer Körpergröße am längste lebende Spezies. Von den 19 Säugetierarten, die unter Berücksichtigung der Körpergröße länger leben als Menschen, sind 18 Fledermäuse.
Anhand von Daten, die im Rahmen von mehr als 60 Jahren in Feldstudien erhoben wurden, versuchte das Projektteam, herauszufinden, ob Telomere in den Fledermausarten Rhinolophus ferrumequinum, Miniopterus schreibersii, Myotis bechsteinii und Myotis myotis mit zunehmendem Alter kürzer werden.
Telomere sind die Endstücke aller DNA-Stränge, die unsere Chromosomen schützen. Wenn wir älter werden, werden die Telomere kürzer und kürzer, bis sie nicht länger ihre Funktion erfüllen, was zum Abbau unserer Zellen führt. Sobald dieser Prozess angestoßen wurde, beginnt die Degeneration unseres Gewebes, bis es stirbt.
Die Fledermäuse wurden an verschiedenen Orten in ganz Europa gefangen. Ehe sie wieder freigelassen wurden, hat man jeder Fledermaus Proben von drei Millimetern an den Flügeln entnommen. Die Proben wurden dann in flüssigem Stickstoff schockgefroren oder mithilfe von Silika-Kügelchen getrocknet. Die Ergebnisse der Telomer-Analysen zeigten, dass sich die Telomere, wie bei den meisten Säugetieren, mit dem Alter auch bei den Fledermausarten R. ferrumequinum und M. schreibersii verkürzen. Jedoch wurde bei der Gattung Myotis, zu denen die am längsten lebende Fledermausart, die bisher untersucht wurde, zählt, kein Zusammenhang zwischen der Telomer-Länge und dem Alter festgestellt.
Manche Zellen können der Verkürzung von Telomeren mittels Telomerase, einem Enzym, das die Telomere von Chromosomen verlängert, entgegenwirken. Um aufzudecken, wie die Telomer-Länge bei der Art Myotis erhalten werden kann, haben die Wissenschaftler die Telomerase-Expression in M. myotis untersucht, deren maximale Lebensspanne (37 Jahre) deutlich länger ist als die der anderen drei untersuchten Arten. Interessant ist, dass die Tests bei dieser Fledermaus keine Anzeichen einer Telomerase-Expression gezeigt haben.
DNA-Reparaturgene
Es wurden weitere Tests durchgeführt, um das
Genom der Art Myotis mit dem von 52 anderen Säugetieren zu vergleichen. Analysen von 225 Genen, die mit dem Erhalt der Telomere in Verbindung gebracht werden, ergaben, dass 21 Gene bei der Verhinderung der Telomer-Verkürzung bei Myotis eine Rolle spielen könnten. Insbesondere ATM und SETX, die für die Reparatur und Verhinderung von DNA-Schäden verantwortlich sind, könnten die treibende Kraft der beachtlich langen Lebensdauer dieser Art sein.
Wenn diese Gene der Grund dafür sind, warum sich Telomere in der Gattung Myotis nicht verkürzen, könnten sie ein herausragendes therapeutisches Potenzial haben, denn Fledermäuse erkranken selten an Krebs. Die Erhaltung der Telomer-Länge ohne Beteiligung von Telomerase ist besonders für Menschen von Bedeutung, da die Telomerase-Expression bei rund 90 Prozent aller Krebserkrankungen bei Menschen vorkommt.
Das Projekt AGELESS (Comparative genomics / ‘wildlife’ transcriptomics uncovers the mechanisms of halted ageing in mammals) hat geholfen, das Verständnis für die Mechanismen, die Fledermäuse entwickelt haben, um so lange zu leben, zu vertiefen. Es hat die Wissenschaftler außerdem einen Schritt weiter heran gebracht an die Entdeckung, wie man die Alterung stoppen und mit dem Alter verbundene Erkrankungen beim Menschen abschwächen kann.
Weitere Informationen:
AGELESS-Projekt