Früher Feuchtgebiet, heute Trockenland: Wie frühe Wirbeltiere den Rückgang des Regenwaldes überlebten

Wissenschaftler zeigen, dass Tetrapode das Massenaussterben von Pflanzen in Europa und Nordamerika vor 307 Millionen Jahren nicht nur überlebten, sondern danach sogar noch stärker verbreitet waren und neue Lebensräume schafften.

Die Erde beherbergt fast neun Millionen Pflanzen- und Tierarten, von denen drei Viertel an Land leben. Angesichts dieser erstaunlichen Vielfalt mag sich der Laie wundern, wie all das entstanden ist. Wissenschaftlern zufolge konnte diese Frage bisher noch nicht eindeutig beantwortet werden.

Um die Wissenslücke nun zu schließen, will das EU-finanzierte Forschungsprojekt TERRA unter der Leitung von Professor Richard Butler von der Universität Birmingham die Diversifizierung von Landtieren aus einem neuen Blickwinkel betrachten, und zwar mit Schwerpunkt auf frühen vierbeinigen Wirbeltieren oder Tetrapoden.

Tetrapode erschienen vor etwa 360 Millionen Jahren zum ersten Mal an Land und entwickelten innerhalb der nächsten rund 70 Millionen Jahre, d. h. während des Karbon- und frühen Permzeitalters, erste Gemeinschaften. Diese beiden letzten Abschnitte des Paläozoikums spielten dabei eine entscheidende Rolle in der Evolution dieser Tiere. Während dieser Zeit waren Europa und Nordamerika noch eine einzige große Landmasse namens Euramerika, die am Äquator lag und von tropischen Regenwäldern bedeckt war. Das warme und feuchte Klima der Wälder bot ideale Bedingungen für die Entwicklung und Diversifizierung der frühen Tetrapoden, was zur allmählichen Entstehung von Amnioten sowie einer Vielzahl von Synapsiden, Reptilien und Amphibien führte.

Gegen Ende des Karbon, vor etwa 303 bis 307 Millionen Jahren, begannen diese Regenwälder jedoch von weiten Teilen der Erde zu verschwinden. Zu Beginn des Perm gestaltete sich das Klima dann zunehmend trocken. Viele Regionen waren demzufolge von Trockenvegetationen bedeckt. Diese erhebliche Umweltveränderung, die als „Zusammenbruch der Regenwälder im Karbon“ bezeichnet wird, führte zum Massenaussterben vieler Pflanzenarten und stellte eine kritische Phase in der Evolution der Tetrapoden dar. Dennoch befassten sich nur wenige Studien damit, welchen Einfluss diese Veränderung damals auf die Vielfalt der frühen Wirbeltiere hatte.

Die bisherigen Bemühungen um eine Bewertung der Auswirkungen des Zusammenbruchs berücksichtigten zudem nicht die räumliche und zeitliche Stichprobengewichtung bei bereits vorhandenen fossilen Daten. Darüber hinaus wurden die Daten auf Familienebene (zwei taxonomische Einheiten über der Art) analysiert, anstatt sich auf die Arten selbst zu konzentrieren. Um dieses Defizit zu beheben, stellten die Mitglieder des TERRA-Projektteams neue Datensätze zusammen und entwickelten verbesserte Methoden zur Abschätzung von Veränderungen der biologischen Vielfalt. Sie beschreiben ihre Ergebnisse in der Fachzeitschrift „Proceedings of the Royal Society B“.

Die Forscher fanden heraus, dass sich die Anzahl der Tetrapoden durch die Veränderung ihrer Umgebung mit Beginn des Zusammenbruchs der Regenwälder beträchtlich dezimierte, bevor sie sich allmählich während des Perm wieder erholte. Im Gegensatz zu früheren Studien zeigten ihre Daten jedoch, dass der Verlust von Lebensräumen nicht dazu führte, dass das Vorkommen der Art auf bestimmte geografische Gebiete beschränkt wurde. Obgleich der Zusammenbruch möglicherweise zu einer geringeren globalen Artenvielfalt geführt hat, so diversifizierten sich die überlebenden Gemeinschaften der Tetrapoden allerdings nicht durch die Isolation, sondern waren tatsächlich besser miteinander verbunden als zuvor.

Das Projekt TERRA (375 Million Years of the Diversification of Life on Land: Shifting the Paradigm?) zielt darauf ab, ein neues und genaues Modell der terrestrischen Diversifizierung zu etablieren, um die Wissenslücke in diesem Bereich zu schließen.


Weitere Informationen:
CORDIS-Projektwebsite

veröffentlicht: 2018-03-07
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