Neue Erkenntnisse zur kortikalen "Hintergrund"-Aktivität
Das Zentralnervensystem basiert hauptsächlich auf der Übertragung von elektrischen Impulsen und Spannungen, die erzeugt werden, wenn Ionen in das Neuron hinein oder aus ihm hinaus fließen. Nun wurden wichtige Erkenntnisse zur faszinierenden elektrischen Aktivität im endogenen Hintergrund gewonnen, die offenbar bei der Verarbeitung von Eingangssignalen eine große Rolle spielt.
Die elektrische Aktivität des Gehirns ist auf komplexe Weise mit der
biochemischen Signalübertragung durch Neurotransmitter und
Neuromodulatoren verknüpft. Exzitatorische Neurotransmitter erzeugen
Ionenströme, die die Depolarisationsphase bei Neuronen einleiten (up
state) und ein Aktionspotential initiieren, während hemmende
Neurotransmitter die Hyperpolarisation (down state) einleiten.
Die Großhirnrinde erzeugt eine sehr langsame Oszillation (weniger als einmal pro Sekunde bzw. 1 Hz) zwischen UP- und DOWN-Zustand, unabhängig vom externen Eingangssymbol sowohl in vitro als auch in vivo. Externe Signale wie sensorische Informationen beeinflussen dabei den Hintergrund dieser endogenen Aktivität. Das EU-finanzierte Projekt INTRICA (Development and neuromodulation of intrinsic cortical activity) sollte die Aktivität in der Entwicklungsphase untersuchen und deren Modulation am Tiermodell für Autismus bewerten.
Die Partner verglichen spontane kortikale UP-Zustände in vitro für mehrere Entwicklungsstadien und zwei verschiedene Bereiche, den somatosensorischen und den motorischen Kortex. Die Aktivität veränderte sich alters- und regionsspezifisch und verstärkte sich nach der frühen Entwicklungsphase bis zum frühen Erwachsenenalter. Beobachtet wurden dabei Zeiten ausgeprägten Wandels, was auf eine massive Umstrukturierung der synaptischen Verschaltung, aber auch konstantere Perioden hindeutet. Übergänge zwischen den Entwicklungsphasen wurden zum Teil durch Veränderungen der inhibitorischen Schaltkreise durch primäre inhibitorische Neurotransmitter-Rezeptoren (Gamma-Aminobuttersäure-A (GABA-A) und GABA-B) vermittelt.
Weitere Studien zur Modulation des UP-Zustands an transgenen Tieren zeigten, dass die UP-Aktivität sowohl durch hochaffine wie auch niedrigaffine Nikotin- (acetylcholinerge) Rezeptoren moduliert wird, und dass die GABA-B-Hemmung den hochaffinen nikotinischen Acetylcholinrezeptor beeinfluss. Die Forscher untersuchen derzeit, inwieweit sich bei Autismus die endogene Aktivität verändert, da Unterschiede bei der Aktivität im Gehirn von Erwachsenen festgestellt wurden, die im frühen Kindesalter unter epileptischen Anfällen litten.
INTRICA stellt ein In-vitro-Modell für die Entwicklung und Reifung des gesunden kortikalen Netzwerks vor, anhand dessen nun nach Indikatoren für Erkrankungen gesucht werden kann, bei denen das Gleichgewicht zwischen Erregung und Hemmung gestört ist. Ferner zeigen die Ergebnisse einen direkten modulatorischen Einfluss von GABA-B-Rezeptoren auf die hochaffinen nikotinischen Acetylcholinrezeptoren. Endogene Hintergrundoszillationen spielen offenbar eine entscheidende Rolle bei der Informationsverarbeitung. Damit hat INTRICA einige wichtige Fragen geklärt, wie und wann es hierzu kommen kann.
veröffentlicht: 2015-09-25