Da mehr als 400.000 Patienten jährlich und europaweit mit Erythropoetin (EPO) behandelt werden, müssen therapieassoziierte Risiken genau erforscht werden. Eine europäische Studie untersuchte nun, ob EPO das Risiko für Tumorbildung und Thromboembolien erhöht.
EPO ist ein Hormon, das normalerweise in der Niere produziert wird und
die Bildung roter Blutzellen fördert (Erythropoese). Die rekombinante
Herstellung des Hormons war ein medizinischer Durchbruch bei der
Behandlung schwerer Nierenerkrankungen und Anämien. Trotz der enormen
therapeutischen Wirksamkeit stehen EPO und dessen Derivate (Epoetine)
allerdings im Verdacht, krebserregend zu sein und das Risiko von
Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu erhöhen.
Das EU-finanzierte Projekt
EPOCAN (Gaining sage on the Epoetins' saga:
assessing long term risks and advancing towards better Epoetin driven treatment modalities) befasste sich genauer mit diesen Sicherheitsbedenken und untersuchte den Effekt von EPO auf Tumorprogression und thromboembolische Ereignisse bei Krebspatienten. Bei chronischen Nierenpatienten wurde ein möglicherweise erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs bewertet.
Die Wissenschaftler fanden keinen Zusammenhang zwischen EPO und thromboembolischen Ereignissen. Nach einem akutem Myokardinfarkt bewirkte eine hohe Dosierung von EPO keine entzündlichen Veränderungen, allerdings wurden Resistenzen gegen EPO-stimulierende Substanzen (ESA) mit einer erhöhten Mortalität bei Dialysepatienten assoziiert. Aufgrund des hypertensiven Effekts von ESA wurde ein Zusammenhang zwischen hoher ESA-Dosierung und erhöhter Sterblichkeit beobachtet.
Die im Projekt generierten Tiermodelle lieferten Aufschluss über den Zusammenhang zwischen EPO und Tumorprogression. Eine Überexpression von EPO verzögerte die Tumorbildung, was einen anti-tumorigenen Effekt von EPO nahe legt, bevor sich der Tumor bildet. Allerdings wurde eine bereits ausgeprägte Tumorerkrankung durch EPO gefördert. Dementsprechend zeigte sich an Xenotransplantatmodellen für menschliche Brust- und Lungenkrebstumoren, dass EPO das Wachstum von Lungenkrebszellen stimuliert und das metastatische Potenzial beeinflusst.
EPOCAN entwickelte wichtige Forschungsmethoden und potenzielle klinische anti-EPO-Rezeptor-Antikörper. Auf diese Weise können EPO-Rezeptoren in menschlichen Tumorproben nachgewiesen werden, was auch Entscheidungshilfen für die individuelle Behandlung von Krebspatienten mit Epoetinen geben und damit medizinisch außerordentlich relevant sein wird.
EPOCAN lieferte aussagefähige Daten zu den wichtigsten Nebenwirkungen einer EPO-Therapie, etwa zur erhöhten Sterblichkeit bei hoher Dosierung von ESA. Dennoch wurde gezeigt, dass EPO keine direkte Wirkung auf die Thrombozytenfunktion hat. Das Wissen um die mit EPO assoziierten Gesundheitsrisiken kann dazu beitragen, den Einsatz von EPO genau zu regulieren und die Behandlung sicherer zu machen.