Zur grundlegenden Rolle von Wasser im Gewebe

Der menschliche Körper besteht zu etwa 60% aus Wasser, dem Hauptbestandteil von Blut und intra- und extrazellulärem Raum. Mit aussagefähigen experimentellen und theoretischen Methoden sollten nun wichtige Fragen zur funktionellen Rolle von Wasser geklärt werden.

Wasser ist für viele biologische Prozesse essentiell, was weitgehend auf seine Polarität (relative Ladungstrennung und daraus entstehendes lokales Dipolmoment) und Fähigkeit zur Bildung von Wasserstoffbindungen zurückgeht. Ersteres macht Wasser zum hervorragenden Lösungsmittel für Elektrolyte (ionisierbare Substanzen wie Salze, Säuren und Basen), die für Zellfunktionen wichtig sind, letzteres liefert eine flexible und gerichtete Kraft für die Selbstorganisation komplexer Strukturen.

Da Wasser Grundlage aller biologischen Prozesse ist, untersuchte das EU-finanzierte Projekt HYDRA die Gleichgewichtseigenschaften und schnelle Dynamik von Wasserstoffbrücken an Schnittstellen von Wasser- und Biomolekülen. Mittels Neutronenstreuungsexperimenten in Kombination mit Computermodellen wurde zudem die Rolle von Wasser bei der Selbstorganisation von Proteinen und Lipiden untersucht. Ein weiterer Schwerpunkt waren Effekte ionischer Flüssigkeiten (room-temperature ionic liquids, RTIL), d.h. Salzen, die bei Raumtemperatur flüssig sind.

Da HYDRA auf großes Interesse in der Forschung stieß, wurde dem Projekt viel Experimentierzeit mit Neutronenstrahlung an zahlreichen Einrichtungen und leistungsstarken Rechenressourcen in Europa und den Vereinigten Staaten zur Verfügung gestellt. So konnten die Systeme und Probleme sowohl aus experimenteller als auch theoretischer Perspektive untersucht werden, was wichtige neue Erkenntnisse lieferte.

Biologische Zellmembranen sind selbstorganisierte Phospholipid-Doppelschichten. Analysen dieser Phospholipid-Doppelschichten in RTIL lieferten die bislang ausführlichsten Informationen zu Wasser und Lipiden, die durch RTIL hydriert werden, was künftige Forschungen zu Anwendungen von RTIL in der Elektrochemie, Pharmakologie und Nanotechnologie vorantreiben wird.

Experimentell wurde auch die Kinetik der Fibrillenbildung (Kammerflimmern) von Peptiden und Proteinen untersucht, die in Wasser und wässrigen RTIL-Lösungen gelöst sind, sowie deren mögliche pharmazeutische Anwendung. Die Aggregation von Proteinen zu Amyloidfasern ist ein Prozess, der stark mit der Entstehung neurodegenerativer Erkrankungen wie Alzheimer und Parkinson assoziiert wird. So soll demnächst geklärt werden, wie DNA und RTIL miteinander interagieren, um Nukleinsäureproben bei Raumtemperatur länger lagern zu können.

HYDRA lieferte damit einen wichtigen wissenschaftlichen Beitrag, der der europäischen Medizin, der Wirtschaft und schließlich allen EU-Bürgern auf breiter Basis zugute kommen wird, da auf der Grundlage von RTIL bessere Pharmazeutika, Diagnostika und Therapien entwickelt werden könnten.

veröffentlicht: 2015-08-10
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