Genetische Faktoren für Eusozialität bei Ameisen
Die epigenetische Regulation ist ein grundlegender Mechanismus, der die herkömmliche Genexpression verändert. Sie umfasst RNA-Editing und DNA-Methylierung und vermittelt möglicherweise auch die genomische Prägung, also insgesamt Aspekte, die bei sozialen Insekten bislang unbekannt waren.
Eusozialität ist eine komplexe Form des Sozialverhaltens bei Tieren, die
auf der gemeinsamen Betreuung von Nachkommen, Arbeitsteilung und
Differenzierung in reproduktive und nicht-reproduktive Kasten beruht. Im
Gegensatz zum menschlichen Sozialverhalten, das kulturell dominiert
ist, entstand Eusozialität bei Insekten wie Ameisen, Bienen, Wespen und
Termiten durch natürliche Selektion. Evolutionstheorien beschäftigen
sich daher intensiv mit Kooperation als Voraussetzung für eine höhere
Ebene der Organisation - im Gegensatz zum kontraproduktiven egoistischen
Verhalten auf den unteren Ebenen der Selektion.
Das EU-finanzierte Projekt "Genome evolution in attine ants" (GENTS) untersuchte dies am gut beschriebenen Modell eines staatenbildenden Insektenmodells – der pilzzüchtenden Blattschneiderameise. Schwerpunkte waren die auf Genomebene stattfindenden epigenetischen Mechanismen, die eine konditionale Genexpression regulieren und bei einzelnen Individuen innerhalb einer Gemeinschaft Egoismus fördern.
Ein neues Forschungsprogramm für Evolutionsbiologie (Centre for Social Evolution, Universität Kopenhagen) arbeitete mit einem chinesischen Genomsequenzierungsprojekt (BGI Shenzhen) zusammen. GENTS konzentrierte sich auf die epigenetische Regulation der Kastendifferenzierung und das RNA-Editing bei Blattschneiderameisen (Acromyrmex echinatior). Da epigenetische Mechanismen Genfunktionen regulieren, sollte das Projekt klären, wie die Expression im Gehirn der drei weiblichen Kasten von A. echinatior verändert wird.
Die Wissenschaftler enthüllten RNA-Editing in vielen Genen im Gehirn kleiner und großer Arbeiterinnen sowie Gynen (unbegatteten Königinnen), und zwar mehr als 10.000 RNA-editierende Ereignisse in mehr als 800 Genen. Diese RNA-editierenden Gene waren funktionell angereichert, um Neurotransmission, zirkadianen Rhythmus, Temperaturverhalten, RNA-Splicing und Carbonsäure-Biosynthese zu steuern.
Eine wichtige Erkenntnis von GENTS war, dass die Editierungsebenen zwischen Kasten an gleicher Stelle stark variieren. Damit ist RNA-Editing offenbar ein häufiger Mechanismus, der das Kastenverhalten von Ameisen steuert, nachdem der genetische Code transkribiert wurde. GENTS erforschte erstmals die Rolle des RNA-Editing bei staatenbildenden Insekten und erweiterte damit enorm den wissenschaftlichen Kenntnisstand.
veröffentlicht: 2015-07-16