Behandlung neurologischer Erkrankungen
Schlaganfall ist die häufigste neurologische Erkrankung. Sie
verursacht kognitive Probleme - wie zum Beispiel Aufmerksamkeits-,
Gedächtnis- oder Sprachstörungen - oder schwere körperliche
Behinderungen. Die Häufigkeit nimmt mit dem Alter zu, weshalb sie damit
die häufigste Ursache für eine lebenslange Beeinträchtigung im
Erwachsenenalter ist.
Durch diese Auswirkungen wird die Abhängigkeit der Patienten von
anderen Menschen tendenziell erhöht und diese verlorene Autonomie kann
dann zu Depressionen führen. Das Projekt
CONTRAST will die Lücke zwischen institutioneller Rehabilitation und Überwachung des Patienten zu Hause überbrücken.
Das Projekt entwickelt eine adaptive "Mensch-Computer-Schnittstelle"
(HCI), um kognitive Funktionen zu verbessern. Sie bietet
Trainingsmodule an, die die Rückgewinnung von Aufmerksamkeit und
Gedächtnis verbessern. Die Patienten erhalten damit einen individuell
zugeschnittenen Rehabilitationsprozess zu Hause und der Arzt kann die
Fortschritte von der Klinik aus überwachen.
Bei einem Drittel der Schlaganfallpatienten bleiben langfristige
körperliche oder kognitive Behinderungen zurück, die ihnen ein
unabhängiges Leben unmöglich machen.
COGWATCH
zielt auf die Verbesserung der Rehabilitation von Schlaganfallpatienten
mit Symptomen von "Apraxie und Handlungsstörungssyndrom "(apraxia and
action disorganisation syndrome, AADS) ab. Solche Patienten behalten
ihre motorischen Fähigkeiten, begehen aber kognitive Fehler bei
alltäglichen zielorientierten Aufgaben.
Das Projekt entwickelt intelligente Werkzeuge und Gegenstände,
tragbare Geräte sowie Umgebungssysteme, um Schlaganfall-Patienten mit
AADS-Symptomen persönliche kognitive Rehabilitation zu Hause anzubieten.
Durch ständiges Feedback wird das System den Patienten helfen, sich die
Fähigkeiten wieder anzutrainieren, die sie für ihre täglichen
Aktivitäten und um unabhängig zu sein brauchen.
Parkinson-Krankheit ist eine andere neurodegenerative Erkrankung,
die immer häufiger anzutreffen ist - sie betrifft vor allem Bereiche des
Gehirns, die an der Bewegungssteuerung beteiligt sind. Das Projekt
CUPID
will innovative, personalisierte Rehabilitation zu Hause für Menschen
mit Parkinson-Krankheit entwickeln. Diese soll an die Bedürfnisse des
Patienten angepasst sein.
Der CUPID-Service verwendet tragbare Sensoren, Audio-Biofeedback,
virtuelle Realität und externes Cueing, um ein intensives und
motivierendes Training zu liefern, das auf den Patienten angepasst ist
und aus der Ferne überwacht werden kann - dadurch werden weniger Fahrten
in ein Rehabilitationszentrum erforderlich.
Bis Ende 2012 hatte das Projekt bereits die Reha-Übungen konzipiert
und virtuelle Spiele für diese Übungen sowie die telemedizinische
Infrastruktur für die benötigte Fernüberwachung entworfen.
Epilepsie ist eine weitere häufige neurologische Erkrankung, die
trotz der Fortschritte in der Behandlung, immer noch nicht heilbar ist.
Heutzutage kann eine medikamentöse Behandlung die Symptome reduzieren
oder entfernen, aber um wirksam zu sein, muss die Krankheit zeitlebens
überwacht und die Behandlung angepasst werden. Es müssen mehrere
Parameter für eine genaue Diagnose, Prognose, Alarmierung und Prävention
sowie die Nachverfolgung der Behandlung und präoperative Evaluierung
überwacht werden.
Das Projekt
ARMOR
gestaltet ein ganzheitliches, individuelles, medizinisch effizientes
und wirtschaftliches Überwachungssystem, um Gehirn- und Körperdaten von
Epilepsiepatienten zu analysieren. Dieses tragbare System wird eine
genauere Diagnose für den einzelnen Patienten erlauben, und damit ein
besseres Verständnis und die Vorhersage des Zeitpunkts und Art ihrer
Anfälle ermöglichen. Das System kann warnen und ggf. medizinische Hilfe
und Beratung sicherstellen.
Die Amputation einer Gliedmaße ist nicht nur eine traumatische
körperliche Erfahrung. Sie kann auch zu schmerzhaften Empfindungen
führen, die aus dem fehlenden Körperteil zu kommen scheinen, ein so
genannter "Phantomschmerz". Das Projekt
TIME
entwickelt eine Alternativbehandlung von Phantomschmerzen auf der Basis
einer neuen "Mensch-Maschine-Schnittstelle" (HMI) und selektiver,
elektrischer Stimulation der peripheren Nerven.
Mithilfe einer implantierbaren Elektrode, die im Inneren der
Nervenzellen platziert wird, und elektrischen Stimulatoren außerhalb des
Körpers, wird das System mit elektrischer Mikrostimulation die
schmerzhaften Empfindungen verringern. In einer anderen Anwendung kann
es Amputierte befähigen, in virtuellen Umgebungen durch Berührung zu
spüren.
Dinge sehen
Das Potential solcher Techniken endet nicht bei Überwachung, Diagnose und Behandlung chronischer Zustände. Das Projekt
OPTONEURO könnte letztlich blinden Menschen ihre funktionale Sehkraft zurückgeben.
"Optogenetik" ist eine aufregende neue Gentherapietechnik, mit der
Nervenzellen dazu gebracht werden, auf bestimmte Farben von Licht zu
reagieren. Einfache Impulse von intensivem Licht führen dazu, dass diese
photosensibilisierten Nervenzellen "Aktionspotentiale", die Träger von
Informationen im Nervensystem, abfeuern. Um die Nervenzellen zu
aktivieren, ist diese neue Therapie von sehr hohen Beleuchtungsdichten
abhängig - wenn helles Licht auf sehr kleine Flächen scheint.
Das OPTONEURO-Projekt will daher die komplementäre Optoelektronik
entwickeln, die zur Stimulation dieser photosensibilisierten Neuronen
notwendig ist. Das System wäre für Anwendungen sowohl in den
grundlegenden Neurowissenschaften sowie in 'Neuroprothetik' skalierbar.
Die Optoelektronik sollte insbesondere in einer
optogenetisch-optoelektronischen Netzhautprothese verwendet werden -
einem künstlichen Auge für Menschen, die aufgrund von "Retinitis
pigmentosa" erblindete sind.
Das Projekt erfordert ein Team von Spezialisten in Photonik,
Mikro-Optik und Neurobiologie, um ein Array von ultra-hellen
elektronisch gesteuerten Mikro-LED zu entwickeln, was auch zu einem
neuen Forschungswerkzeug für die Neurowissenschaften und
Neurotechnologie führen könnte.
Das Projekt
SEEBETTER
will eine künstliche Seh-Prothese für Blinde entwickeln. Herkömmliche
Bildsensoren haben große Beschränkungen, aber
"Siliziumnetzhaut"-Sensoren sollen die Informationsverarbeitung einer
echten Netzhaut imitieren - wobei sie räumliche und zeitliche Aspekte
des visuellen Inputs berechnen. Bis heute haben diese Siliziumnetzhäute
eine niedrige Quanteneffizienz - also geringe Lichtempfindlichkeit - und
räumliche und zeitliche Verarbeitung lassen sich auf dem gleichen Chip
nicht kombinieren.
Das SEEBETTER-Expertenteam, das aus Biologen und Biophysikern sowie
aus Experten der biomedizinischen, Elektro- und Halbleitertechnik
besteht, will genetische und physiologische Techniken einsetzen, um ein
besseres Verständnis der Funktion der Netzhaut und der Seeverarbeitung
zu erlangen. Die Experten werden dann die erste
Hochleistungssiliziumnetzhaut entwerfen und bauen, die auf einem
einzigen Silizium-Wafer implementiert sein wird und sowohl auf räumliche
als auch zeitliche visuelle Verarbeitung spezialisiert ist.
Das Verständnis der neurobiologischen Grundlagen des Sehens - über
die Funktionsweise der Netzhaut hinaus - kann uns helfen, den Erfolg des
menschlichen Sehens für Computer und Roboter replizieren. Das Projekt
RENVISION
will ein umfassendes Verständnis davon erreichen, wie die Netzhaut
visuelle Informationen über die verschiedenen Zellschichten kodiert und
diese Kenntnisse nutzen, um einen von der Netzhaut inspirierten
Rechenansatz für das maschinelle Sehen zu entwickeln.
Mit hoch auflösender 3D-Mikroskopie können die en Forscher Bilder
der inneren retinalen Schichten bei nahezu zellulärer Auflösung machen.
Dieses neue Wissen über die retinale Verarbeitung wird die Entwicklung
fortschrittlicher Mustererkennungs- und Maschinenlerntechnologien
unterstützen. Das Projekt könnte daher zur Lösung einiger der
schwierigsten Aufgaben des maschinellen Sehens beitragen - wie etwa die
automatisierte Kategorisierung von Szenen und das Erkennen menschlichen
Handelns - sodass Roboter und Computer sehen und wahrnehmen, was in den
Bildern, die sie erhalten, geschieht.
Dies sind nur einige der EU-geförderten IKT-Projekte, die mit
Elektronik- und Computing-Technologien das menschliche Gehirn und seine
Funktionsweise verstehen, erweitern und verbessern wollen. Die
Ergebnisse haben das Potenzial, die Auswirkungen von Behinderung und
Krankheit zu verringern, und unsere Rechenleistung, IT-Infrastruktur und
Wirtschaft zu verbessern.
Die in diesem Artikel vorgestellten Projekte wurden vom Programm zur
Unterstützung der IKT-Politik des Programms für Wettbewerbsfähigkeit
und Innovation (CIP) oder dem Siebten Rahmenprogramm (RP7) für Forschung
unterstützt.
Link zu einem Projekt auf CORDIS:
-
RP7 auf CORDIS-
CONTRAST-Projektdatenblatt auf CORDIS-
COGWATCH-Projektdatenblatt auf CORDIS-
CUPID-Projektdatenblatt auf CORDIS-
ARMOR-Projektdatenblatt auf CORDIS-
TIME-Projektdatenblatt auf CORDIS-
OPTONEURO-Projektdatenblatt auf CORDIS-
SEEBETTER-Projektdatenblatt auf CORDIS-
RENVISION-Projektdatenblatt auf CORDIS
Link zur Projekt-Website:
-
Website des Projekts 'An
individually adaptable, BNCI-based, remote controlled Cognitive
Enhancement Training for successful rehabilitation after stroke
including home support and monitoring'-
Website des Projekts 'Closed-loop system for personalized and at-home rehabilitation of people with Parkinson's Disease'-
Website
des Projekts 'Advanced multi-parametric monitoring and analysis for
diagnosis and optimal management of epilepsy and Related brain
disorders'-
Website
des Projekts 'Transverse, intra-fascicular multi-channel electrode
system for induction of sensation and treatment of phantom limb pain in
amputees'-
Website des Projekts 'Optogenetic neural stimulation platform'-
Website des Projekts 'Seeing better with hybrid BSI spatio-temporal silicon retina'-
Website des Projekts 'Retina-inspired encoding for advanced vision tasks'
Links zu verwandten Nachrichten und Artikeln:
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Blog von Kommissarin Kroes zum Europäischen Monat des Gehirns: 'EU und USA fügen unsere graue Masse zusammen'-
EK Pressemitteilung: 150 Mio. EUR für die Hirnforschung zu Beginn des "European Month of the Brain"-
Q&A Memo der EK: Fragen und Antworten zum 'Europäischen Monat des Gehirns'-
Website der EK zum 'Europäischen Monat des Gehirns', Mai 2013-
Veranstaltungen zum 'Europäischen Monat des Gehirns', Mai 2013-
Vom elektronischen Gehirn zur Kraft der Gedanken
Weitere Links:
-
Website der Europäischen Kommission zur Digitalen Agenda