Diabetes zählt zu den zehn häufigsten Todesursachen weltweit. Der Weltgesundheitsorganisation zufolge sterben jährlich 1,6 Millionen Menschen an der Krankheit. Diabetes kann im Laufe der Zeit zu schweren Schäden an Herz, Blutgefäßen, Augen, Nieren und Nerven führen.
Die Entstehung von Diabetes und anderen Stoffwechselerkrankungen ist ein komplexer Prozess, bei dem Lebensweise, Umweltfaktoren und genetische Faktoren eine entscheidende Rolle spielen. Doch viele Gene, die Diabetes verursachen, sind nach wie vor unbekannt. Ein internationales Team von Forschern hat nun mit Unterstützung des EU-finanzierten INFRAFRONTIER2020-Projekts hunderte Gene identifiziert, die an der Entwicklung solcher Erkrankungen maßgeblich beteiligt sein könnten. Die Ergebnisse dieser Arbeit wurden in der Fachzeitschrift
„Nature Communications“ veröffentlicht.
In ihrer phänotypischen Studie an Mäusen stellten die Forscher bei 429 Genen in Mäusen neue Verbindungen zu metabolischen Merkmalen fest. Bei 51 davon zeigte sich eine Krankheitsverbindung, die Wissenschaftlern bislang völlig unbekannt war. Die Forscher konnten nachweisen, dass 23 dieser Gene beim Diabetes des Menschen möglicherweise eine Rolle spielen.
Um die „Kandidatengene“ für Diabetes zu identifizieren, führten die Forscher Untersuchungen an Knockout-Mäusen durch, denen jeweils ein spezifisches Gen für Störungen des Stoffwechsels fehlte. Diese Ergebnisse glichen sie dann mit Genomdaten von menschlichen Patienten ab, um zu bestimmen, ob das fehlende Gen an wichtigen Stoffwechselvorgängen beteiligt ist und sich mit Erkrankungen beim Menschen in Verbindung bringen lässt.
Dazu erklärt Martin M. Hrabě de Angelis, Leiter des Instituts für Experimentelle Genetik am Helmholtz Zentrum München (ein Forschungspartner des International Mouse Phenotyping Consortium – IMPC): „Unsere Auswertung dieser Phänotypisierungsdaten hat insgesamt 974 Gene identifiziert, deren Verlust Auswirkungen auf den Zucker- und Fettstoffwechsel zeigt.“ Professor Hrabě de Angelis, der die Studie leitete, fügte hinzu: „Für mehr als ein Drittel der Gene war zuvor keine Verbindung zum Stoffwechsel bekannt.“
Im Rahmen der IMPC-Forschungsinitiative wird die Funktion jedes einzelnen Gens im Mausgenom systematisch bestimmt. Die Forscher erstellen computergestützte Krankheitsmodelle in der Maus, um herauszufinden, wie Krankheiten im Menschen entstehen und sich entwickeln.
In der Schlussfolgerung der Studie hieß es: „Indem Genfunktionen mit Stoffwechselstörungen in Verbindung gebracht werden, kann unser Protokoll und die Identifizierung stoffwechselrelevanter genetischer Elemente das Verständnis von menschlichen Erkrankungen entscheidend voranbringen.“
Die Forschungsinfrastuktur (FI) INFRAFRONTIER umfasst europäische Mauskliniken und das Europäische Maus-Mutanten-Archiv. Sie soll Mausmodelle für Grundlagenforschungen zur Gesundheit und zu den Krankheitszuständen beim Menschen liefern und die daraus gewonnenen Erkenntnisse in therapeutische Ansätze umsetzen. Das erweiterte Netzwerk INFRAFRONTIER2020, das von der INFRAFRONTIER GmbH koordiniert wird, wird die nachhaltige Arbeitsweise der FI INFRAFRONTIER voraussichtlich weiter stärken.
Das laufende Projekt INFRAFRONTIER2020 (Towards enduring mouse resources and services advancing research into human health and disease) geht auch auf bedeutende gesellschaftliche Herausforderungen im Hinblick auf die menschliche Gesundheit ein und stellt dazu maßgeschneiderte Pilotdienste für die Erforschung häufiger und seltener Krankheiten zur Verfügung.
Die Untersuchung der Biologie von Mäusen trägt zum besseren Verständnis von Erkrankungen beim Menschen bei, da das Genmaterial von Mensch und Maus zu 98 % übereinstimmt. Die Forscher möchten durch die Entschlüsselung von Ursache und Wirkung – also der ursächlichen genetischen Verbindungen – die Entstehung von Krankheiten besser verstehen, therapeutische Interventionen entwickeln oder sogar Krankheitsausbrüche verhindern.
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INFRAFRONTIER2020-Projektwebsite