Laut dem EU-finanzierten Projekt „DIVERSIFY“ sind in der europäischen Aquakultur 190.000 Menschen beschäftigt und der Umsatz der Direktverkäufe beträgt 7 Milliarden Euro. Jedoch werden nur 10 % der Meeresfrüchte, die von den Verbrauchern in der EU gegessen werden, auch tatsächlich innerhalb der EU produziert. Die Große Bernsteinmakrele (Seriola dumerili) ist eine Fischart, die dabei helfen könnte, diesen Prozentsatz zu steigern, da sie sehr groß ist, sich ein großer Teil ihres Fleisches zu Filet verarbeiten lässt, die Aufzuchtzeit gering ist und sie gut geeignet ist für Produktdiversifikation und die Entwicklung von Mehrwertprodukten.
Diesen drei potentiellen Vorteile steht jedoch ein großes Problem gegenüber: Ihre unbeständige Reproduktion in Gefangenschaft verhindert eine effektive Käfighaltung dieser Art. Ein besseres Verständnis der Ursachen dafür könnte der EU helfen, die Produktionstechnologien zu verbessern, Produkte zu diversifizieren und Marketing-Aspekte zu fördern, um das Wachstum der Aquakulturbranche zu stärken.
Im Projekt „DIVERSIFY“ (Exploring the biological and socio-economic potential of new/emerging candidate fish species for the expansion of the European aquaculture industry) wird genau daran gearbeitet und ein kürzlich in „American Society of Animal Science“ veröffentlichtes
Paper legte einige der aktuellen Forschungsergebnisse des Teams dar.
Worin besteht das Problem bei der Zucht von Großen Bernsteinmakrelen?
Die Forscher stützen sich auf aktuelle Studien, in denen herausgefunden wurde, dass Große Bernsteinmakrelen, die in Meereskäfigen gehalten werden, während der Paarungszeit nur eine eingeschränkte Keimdrüsenentwicklung und eine frühe Unterbrechung der Bildung oder Produktion von Keimzellen zeigen. Das Ergebnis ist eine Beeinträchtigung der Spermatogenese und somit eine geringere Reproduktionsrate.
Es wurden frei lebende und in Gefangenschaft aufgewachsene erwachsene Männchen während drei verschiedener Phasen des Reproduktionszyklus getestet: frühe Keimzellbildung (Ende April bis Anfang Mai), fortgeschrittene Keimzellbildung (Ende Mai bis Anfang Juni) und Laichzeit (Ende Juni bis Juli).
Die Samenqualität von in Gefangenschaft aufgewachsenen Fischen wurde mit Hilfe computergestützter Samenanalyse ausgewertet. Bei dem Projekt wurde entdeckt, dass in Gefangenschaft aufgewachsene Männchen Samenläppchen mit kleinerem Durchmesser aufweisen. Diese Läppchen befinden sich in den Testikeln, wo die männlichen Keimzellen, auch Spermien genannt, gebildet werden.
Die in Gefangenschaft lebenden Fische zeigten auch eine frühe und fortschreitende Abnahme der Mitose der Spermatogonien und einen hohen Grad an Apoptose (Zelltod) direkt zu Beginn der Paarungszeit. Diese Merkmale gehen einher mit einer
erhöhten Konzentration von Estradiol im Plasma der Fische.
Zusätzlich zu den Schwierigkeiten dabei, die Reproduktion dem Niveau der frei lebenden Verwandten der Fische anzugleichen, zeigte das während der gesamten Paarungszeit produzierte Sperma einen drastischen Rückgang an Beweglichkeit, Lebensdauer, Geschwindigkeit und Adenosintriphosphat (ATP). Die Schwimmgeschwindigkeit von Spermien wird offenbar stark von deren Morphologie beeinflusst, d. h. der Größe und Form der Spermienbestandteile: Kopf, Mittelstück und Flagellum. Spermien mit langen Flagella und damit größerer Gesamtlänge haben tendenziell eine höhere Schwimmgeschwindigkeit. Das Mittelstück enthält Mitochondrien, die chemische Energie in Form von ATP erzeugen. Die reduzierte Menge an ATP kann sich auf die Beweglichkeit der Spermien auswirken.
Bei Eintritt der Laichzeit trat eine ungewöhnlich hohe Spermienkonzentration auf sowie ein Anstieg an toten Spermien, möglicherweise aufgrund mangelhafter Spermienhydratation und -ejakulation und daraus folgender Spermienalterung.
Das Projekt „DIVERSIFY“ hat das Ziel, die wissenschaftlichen Techniken und Methoden zur Optimierung der Zucht und Aufzucht neuer Flossenfischarten zu revolutionieren und die notwendigen Marketingtechniken zu etablieren, um das Interesse der Verbraucher zu wecken. Die Projektmitarbeiter sagen, die aktuelle Studie beweise die extreme Anfälligkeit der Großen Bernsteinmakrele gegenüber Zuchtstress und unterstreiche den Bedarf an einer Verbesserung der Aufzucht und der Handhabungsverfahren, um Funktionsstörungen der Keimzellbildung bei kommerzieller Produktion in Aquakulturen zu reduzieren.