Wissenschaft im Trend: Wale sind soziale Wesen – dank ihres großen Gehirns

Laut der „Social Brain Hypothesis“ haben Menschen ein großes Gehirn entwickelt, um in komplexen sozialen Strukturen leben zu können. Nun weist eine neue, von britischen und amerikanischen Wissenschaftlern durchgeführte Studie darauf hin, dass sich das Gehirn bei Walen und Delfinen auf eine sehr ähnliche Weise entwickelt haben könnte.

Im Rahmen der Studie, die in der Fachzeitschrift „Nature Ecology and Evolution“ veröffentlicht wurde, erstellte man eine Liste der vielfältigen Verhaltensweisen, die bei 90 verschiedenen Spezies der Ordnung Cetacea beobachtet wurden, darunter Delfine, Wale und Schweinswale. Dabei wurde festgestellt, dass sich die Tierarten umso komplexer – und umso menschenähnlicher – verhielten, je größer ihr Gehirn war.

Dies legt nahe, dass die Social Brain Hypothesis neben Menschen auch auf Wale und Delfine zutreffen könnte, wobei Orkas und Pottwale die vordersten Plätze belegen würden. „Die Gemeinschaften von Delfinen und Walen sind mindestens so komplex wie die von Primaten“, sagte Evolutionsbiologin Susanne Shultz von der Universität Manchester. „Sie sind sehr verspielt, lernen voneinander und kommunizieren auf komplexe Weise. Da es schwierig ist, sie zu beobachten und die Welt zu verstehen, in der sie leben, können wir kaum feststellen, wie intelligent sie tatsächlich sind. Daher haben wir nur einen flüchtigen Eindruck von ihren Fähigkeiten.“

Die Forscher sammelten Aufzeichnungen von Delfinen, die mit Buckelwalen spielen, Fischer mit ihrem Fang unterstützen und selbst die individuellen Pfeiftöne abwesender Delfine imitieren – was bedeuten könnte, dass die Tiere sogar lästern. „Orkas haben kulturell bedingte Nahrungsvorlieben sowie Matriarchinnen, die andere Gruppenmitglieder anführen und lehren, und sie jagen gemeinsam“, erklärte Shultz.

Hinsichtlich der verschiedenen Nahrungsvorlieben innerhalb einer Spezies bevorzugen einige Orka-Populationen Lachse, wohingegen andere auf Robben, andere Wale oder Haie Jagd machen, was von der Kultur der jeweiligen Gruppe abhängig ist. Andere mit einem großen Gehirn ausgestattete Wale legen ebenfalls vielschichtige Verhaltensweisen an den Tag. Pottwalmütter organisieren untereinander das Hüten des Nachwuchses, sodass einige Mitglieder der Schule die Jungen beschützen, während die anderen auf die Jagd gehen.

Die bestimmten Laute, mit denen Pottwale kommunizieren, unterscheiden sich manchmal je nach Wohnort, wie es auch bei regionalen Dialekten menschlicher Sprachen der Fall ist. Delfine der Gattung Tursiops schützen ihre Schnauze mit Schwämmen, wenn sie nach Nahrung suchen, und leben in strukturierten Gemeinschaften.

Luke Rendell, ein Biologe an der Universität Saint Andrews, der nicht an der Studie beteiligt war, aber Pottwale und ihre unterschiedlichen Dialekte erforscht, warnte in der Zeitung „The Guardian“ davor, bei Tieren zu sehr nach menschenähnlichen Zügen zu suchen und sie mit uns zu vergleichen. „Damit könnte man den Eindruck vermitteln, es gäbe nur eine einzige Entwicklungslinie mit dem Menschen an der Spitze, zu dem sich die anderen Tiere erst hocharbeiten müssten. Aber vielmehr entwickelt sich jede Tierart gemäß der für sie zutreffenden Selektionsdrücke“, sagte er.

Der Mensch konnte sich dank seines Gehirns zwar auf dem ganzen Globus ausbreiten, doch es ist nicht zu erwarten, dass Wale oder Delfine in absehbarer Zeit die Macht übernehmen. „Dass sich gemeinsam mit dem Gehirn auch die soziale Strukturen und die vielfältigen Verhaltensweisen von Meeressäugetieren entwickelten, stellt eine auffällige Parallele zum großen Gehirn und dem ausgeprägten Sozialverhalten des Menschen und anderer an Land lebender Primaten dar“, kommentierte Shultz. „Leider werden sie nie wie wir große Metropolen errichten und fortschrittliche Technologien entwickeln, da sie nicht mit opponierbaren Daumen ausgestattet sind.“

veröffentlicht: 2017-10-20
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