Die am Meeresboden herrschenden Bedingungen sind für den Lebenszyklus vieler Tiere von entscheidender Bedeutung. Diese Tiere sind nicht nur von dem organischen Material abhängig, von dem sie sich ernähren, ihre Ausscheidungen werden auch von Lebewesen am Meeresgrund umgewandelt und in das Ökosystem zurückgeführt, sodass neue Biomasse entstehen kann. Die übrigen Stoffe verbleiben im Meeresboden.
Eine Studie, die kürzlich von Forschern des HYPOX-Projekts in der Fachzeitschrift „Science Advances“ veröffentlicht wurde, kam zu dem Schluss, dass weniger organische Materie remineralisiert werden kann, wenn das bodennahe Wasser nur eine niedrige Sauerstoffkonzentration aufweist, sodass ein höherer Anteil dieser Materie im Meeresboden verbleibt. Zudem wurde belegt, dass sich dies deutlich schneller und langfristiger (über Jahrzehnte hinweg) auswirkt als bislang gedacht. In der Fachzeitschrift wird Gerdhard Jessen vom Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie in Deutschland zitiert, der zusammenfasst, dass „sich die Menge des organischen Materials, das im Meeresboden verbleibt, um die Hälfte erhöht, wenn am Meeresboden zeitweise ein Sauerstoffmangel besteht“.
Das Schwarze Meer als Laboratorium
Die HYPOX-Wissenschaftler analysierten das Wasser des Schwarzen Meeres, des weltgrößten natürlicherweise anoxischen Gewässers (das nahezu keinen gelösten Sauerstoff enthält), und konnten so im Freien unter nahezu idealen Laborbedingungen arbeiten. Das Schwarze Meer weist eine stabile Schichtung auf, wobei die Sauerstoffkonzentration des bodennahen Wassers mit einem natürlichen Gradienten verläuft. Diese Konzentration reicht von sauerstoffreichen flachen Gewässern bis hin zu schwankenden Bedingungen, die in einer Tiefe von über 160 Metern unter der Oberfläche zu anoxischem Wasser führen.
In der Studie wurden die spezifischen Auswirkungen solcher hypoxischer Bedingungen untersucht. Beispielsweise bleibt Sauerstoffmangel für die Fauna am Meeresgrund, von der größere Tiere wie Würmer und Muscheln für Nahrung und Schutz abhängig sind, nicht folgenlos. Durch diese natürlichen Prozesse der größeren Tiere werden wiederum kleinere Bewohner des Meeresgrunds mit Nährstoffen versorgt. Wenn der Sauerstoff knapp wird, verlassen die größeren Tiere häufig das Gebiet, und die Remineralisierung der auf dem Meeresboden fallenden organischen Stoffe läuft nur noch durch die im Sediment vorhandenen Bakterien ab, was viel Zeit in Anspruch nimmt. Somit fällt organisches Material aus dem Nährstoffsystem heraus und verbleibt am Meeresgrund. In der Folge vermehren sich anaerobe Mikroorganismen, die nicht von Sauerstoff abhängig sind, jedoch auch Toxine produzieren, welche den Abbau der Materie weiter verlangsamen und das Problem verschärfen.
Erkennung früher Warnzeichen
Während der Mensch anhaltend Einfluss auf die Nährstoffkreisläufe nimmt und die Auswirkungen des Klimawandels sichtbar werden, entstehen in den Ozeanen der Welt immer häufiger sauerstoffarme Bereiche. Vor diesem Hintergrund ist es von zentraler Bedeutung, die hinter diesem Phänomen stehenden biogeochemischen Prozesse näher zu erforschen. In Science Advances wird eine leitende Autorin der Studie zitiert, Antje Boetius, die zusammenfassend anmerkt: „Das Schwarze Meer lehrt uns vieles … es zeigt, wie sich schwankende oder niedrige Sauerstoffkonzentrationen auf das Meeresökosystem auswirken – sie verändern den Nutzen, den dieses Ökosystem für den Menschen erfüllen kann, nämlich grundlegend. Untersuchungen wie diese sind angesichts der globalen Veränderungen daher äußerst wichtig, um Warnzeichen des Ozeans rechtzeitig erkennen zu können.
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