Das Nachspiel eines Tsunamis

The Great Wave off Kanagawa
Katsushika Hokusai (葛飾北斎) [Public domain], via Wikimedia Commons
Für die Untersuchung von Tsunamis erscheint ein Forschungshintergrund im Erdbebeningenieurwesen auf den ersten Blick vielleicht ungewöhnlich. Doch Professorin Tiziana Rossetto entdeckte nach ihrer Rückkehr aus Sri Lanka im Gefolge des Tsunamis von 2004, dass es nur sehr wenig Forschungen zu den Auswirkungen von Tsunamis auf Küsteninfrastrukturen gab und sie wollte mehr herauszufinden. Sie wird ihre Forschungen am 1. Dezember auf der TEDx-Veranstaltung in Brüssel der Öffentlichkeit vorstellen.
Eine ehrgeizige Übung
Prof. Rossetto schaut zurück auf die Ursprünge ihres aktuellen 
Projekts, als man ihr sagte, dass Tsunamiwellen im Labor nicht simuliert
 werden könnten und sie darauf antwortete "Warum denn nicht?" . Sie 
fühlte sich vom Erdbebeningenieurwesen angezogen, da es sich um eine 
neue Wissenschaft handelt, deren Auswirkungen sehr fassbar sein können. 
Sie sagt, dass "es uns erlaubt, zu einer Revolution der Konstruktion von
 Gebäuden beizutragen. Es kombiniert Technik mit Erdbebenkunde, 
Strukturdynamik und sogar Sozialwissenschaften."
Ihre durch den ERC finanzierte Forschung befasst sich mit dem 
Schaden, der durch die Auswirkungen von Tsunamis auf Gebäude verursacht 
wird, indem die horizontalen Kräfte, die bei einem Tsunami auf Gebäude 
auftreffen, modelliert werden, und untersucht wird, wie die Gebäude sich
 verhalten. Zu erkennen, welcher Belastung Gebäude widerstehen können, 
sollte uns lehren, wie wir diese Kräfte abmildern können. Ziel ist es, 
Küstenschutzsysteme zu verbessern statt der Gebäude selber, da es 
wahrscheinlicher ist, dass diese Küstenschutzsysteme in den Gebieten der
 Welt gebaut und gewartet werden können, die von Tsunamis betroffen 
sind. Und das sind eher Entwicklungsländer.
Die zerstörerischen Auswirkungen, die Tsunamis auf Infrastrukturen 
haben können, werden anhand der sehr unterschiedlichen 
Zerstörungseffekte des Tsunamis am 2. Weihnachtstag des Jahres 2004 und 
dem Tsunami in Japan 2011 illustriert. Bei der Krise im Indischen Ozean 
wurden ganze Gemeinden einfach von den Wellen weggeschwemmt. In Japan 
führte der Tsunami zur Kernschmelze bei drei Reaktoren in Fukushima. In 
einem für das Projekt besonders relevanten Ergebnis wurde erkannt, dass 
die Anlage besser vor Naturkatastrophen geschützt hätte sein können. 
Genau diese Form der Planung interessiert Professorin Rossetto und ihr 
Team.
Tsunamimodellierung
Die Schwierigkeiten dieser Forschung sind mit der Tatsache 
verbunden, dass es nur sehr wenige Beobachtungsdaten dazu gibt, wie sich
 ein Tsunami entfaltet, da diese Ereignisse sehr selten sind. Das Ziel 
dieser Forschung ist es, sowohl experimentell die Transformation eines 
Tsunamis in Küstennähe zu untersuchen als auch die Permutationen 
mathematisch zu modellieren, die physikalisch nicht einfach zu 
modellieren sind. Ursprünglich wurde Prof. Rossetto gesagt, dass es 
nicht möglich sei, Tsunamiwellen zu modellieren, da diese extrem lang 
seien. Dies wurde zu einer Herausforderung, die mit dem Bau einer neuen 
Art von pneumatischem Tsunamigenerator gelöst wurde. Dieser wird nicht 
durch die Kolbenkapazität traditioneller Wellengeneratoren beschränkt 
und kann die mit Tsunamis verbundenen extrem langen Wellenlängen 
reproduzieren. Es ist auch die einzige Anlage weltweit, die 
durchgeleitete Tsunamiwellen modellieren kann. Der Tsunamigenerator ist 
an einem 70 Meter langen und 4 Meter breitem Kanal in den Labors von HR 
Wallingford im Vereinigten Königreich montiert. Der Kanal ist mit vielen
 Instrumenten ausgestattet und ermöglicht es den Forschern, die 
Interaktionen zwischen Tsunamiwellen und Küstenschutzstrukturen, 
Einzelgebäuden und Gebäudegruppen zu untersuchen: dadurch spiegelt er 
akkurater wider, was bei einem echten Vorfall geschieht.
Die Katastrophe erleben
Professorin Rossettos Forschung ist experimentell und theoretisch 
ausgerichtet. Sie umfasst Rekonstruktionen und Kalkulationen der 
Tsunamiwelle und ihrer Nachwirkungen, und modelliert insbesondere die 
Zerbrechlichkeit von Gebäuden. Die Berechnung der Versicherungsfolgen 
einer Naturkatastrophe dieses Ausmaßes ist ein notwendiger Teil der 
Vorbereitungen aus einer Infrastrukturperspektive, doch es gibt noch 
eine andere Seite dieser Frage. In einer damit zusammenhängenden 
Forschungsarbeit verfolgte Prof. Rossetto ein globales Phänomen: "Wie 
gehen Menschen, die in Risikogebieten leben, mit möglichen Katastrophen 
um? Sie kennen die Risiken, doch sie bereiten sich kaum darauf vor."
Die Finanzierung durch den ERC war für das Projekt von großer Hilfe,
 nicht zuletzt aufgrund der Aufmerksamkeit, die es auf sich gezogen hat.
 Sie betont: "Auf praktischer Ebene hat sie sichergestellt, dass ich 
mich ohne Unterbrechung auf die Arbeit konzentrieren kann. Sie hat die 
Türen geöffnet, da sie als ein Qualitätssiegel für die Arbeit angesehen 
wird. Sie hat zu Gesprächen mit politischen Entscheidungsträgern und zur
 Beteiligung an gemeinsamen Entwicklungsprojekten geführt: etwa in 
Verbundforschungen und Diskussionen, um Tsunamis in die nächsten 
europäischen Bauordnungen nach 2020 aufzunehmen."
Prof. Rossetto ist überzeugt, dass ihre Forschung auf der TEDx 
Brüssel die "Fantasie anregen" werde. Sie beobachtet, dass die 
Kombination einer echten Bedrohung mit Hightech-Lösungen einen Bericht 
schaffen wird, der die Zuhörer auf der TEDx mitreißen sollte. Auf 
äußerst praktische Weise ist ihr Ziel "Leben retten und damit eine 
sichere Welt für unsere Kinder bauen."
Der Vortrag von Professorin Rossetto findet am 1. Dezember um 14:15 Uhr (BOZAR, Saal Henry Le Boeuf) statt.
veröffentlicht: 2015-01-27