"In Europa werden meteorologische Informationen nicht nur in großen
Mengen produziert, sondern sind auch zum größten Teil im Internet
verfügbar. In diesem Sinne ist es nicht schwer, auf diese Informationen
zuzugreifen", erklärt Professor Leo Wanner vom Catalan Institute of
Research and Advanced Studies und der Natural Language Processing Group
an der Universität Pompeu Fabra in Barcelona, Spanien.
"Die Frage der Qualität ist jedoch für die Benutzer nicht geklärt",
fährt er fort. "Wenn daher auf einer Website für Barcelona für den
nächsten Tag eine Temperatur von 30 °C vorhergesagt wird und auf einer
anderen 28 °C und auf einer dritten 32 °C, dann müssen zwei oder können
auch alle drei Angaben falsch sein."
Die Genauigkeit meteorologischer Informationen im Internet sind aber
nicht das einzige Problem. Für Menschen, die sich nicht nur für das
Wetter interessieren, sondern beispielsweise für atmosphärischen Staub,
Chemikalien und CO2-Emissionen oder den Pollenflug, weil sie Allergiker
sind, verschärft sich das Problem.
"Der Zugang zu Umweltinformationen ist weit schwieriger. Öffentliche
Behörden haben gemäß der Umweltvorschriften eventuell darauf Zugriff,
aber Unternehmen und Bürger stehen häufig vor einem Problem, wenn sie
nach den entsprechenden Daten für ihr geografisches Gebiet suchen", sagt
Prof. Wanner.
Mit anderen Worten folgen die meisten Internetdienste dem Ansatz
"die gleichen Informationen für alle" und bieten all die Informationen
an, die für alle Benutzer, aber eben nicht für eine bestimmte Person
relevant sein könnten. Und einige bieten Informationen, die nur für
einen Standardbenutzer von Interesse sind, und dabei handelt es sich
nahezu ausnahmslos um einen gesunden Bürger. Im ersten Fall wird davon
ausgegangen, dass der Benutzer in der Lage und auch Willens ist, sich
durch alle verfügbaren Informationen zu arbeiten und dann zu
entscheiden, welche für ihn relevant sind. Und im zweiten findet ein
Benutzer mit speziellem Informationsbedarf häufig nicht die benötigten
Informationen.
Mit Hilfe von Forschungsfördermitteln der Europäischen Kommission in
Höhe von 2,8 Mio. EUR hat sich ein Konsortium aus Universitäten und
Forschungseinrichtungen aus fünf EU-Ländern mit diesem Problem befasst.
Das von Prof. Wanner koordinierte Team entwickelte den
fortschrittlichsten, intelligenten und individuell angepassten Dienst
für Umwelt- und Wetterinformationen Europas, der auf die Bedürfnisse von
Bürgern, Unternehmen und Behörden ausgerichtet ist.
Das im Laufe des dreijährigen Projekts "Personalised environmental
service configuration and delivery orchestration" (PESCADO) entwickelte
internetbasierte System soll Informationen bereitstellen, die
entsprechend des Profils, der Präferenzen und des Standorts speziell auf
jeden einzelnen Benutzer zugeschnitten sind.
Aussagekräftige Informationen mit einem Tastendruck
"Die Plattform kommuniziert mit den Benutzern, um sich ein klares
Bild von ihren Bedürfnissen zu machen und zu verstehen, wie sie bei
ihrer Entscheidungsfindung unterstützt werden können. Sie sucht nach
relevanten hochwertigen Internetquellen mit Wetter- und
Umweltinformationen und führt Daten verschiedener Quellen zusammen und
interpretiert diese Daten im Zusammenhang mit den Bedürfnissen des
Benutzers. Dann wählt sie den Inhalt, den sie für den Nutzer als wichtig
erachtet und erzeugt für den Benutzer in der von ihm bevorzugten
Sprachen einen Bericht in Text- und Bildform", erklärt Prof. Wanner.
Die PESCADO-Plattform erzeugt tatsächlich mit nur einem Tastendruck
einen individuellen Wetter- und Umweltbericht. Hierfür kombinierten die
Forscher moderne Technologien in fachgebietsabhängiger Suche,
Ungewissheits- und Gewissheitsmetrik, Verfahren zur Extraktion von
Bildinhalten, Fuzzylogik sowie multimodalen und mehrsprachigen
Informationserzeugungsverfahren in einer serviceorientierten
Architektur.
Die Grundlage des PESCADO-Systems bildet eine Wissensbasis, die alle
Informationen enthält, die für eine intelligente Entscheidungshilfe in
Bezug auf Umweltdaten erforderlich sind, wie z. B. umweltrelevantes
Hintergrundwissen, Daten, die aus Umweltdienstleistungen im Internet
extrahiert wurden, und Benutzerprofile. Individuelle Aufgaben, wie z. B.
die Extraktion von Daten, die Bewertung ihrer Qualität und die
Erzeugung des Berichts für Benutzer, werden von einem oder mehreren
internetbasierten Diensten ausgeführt.
"Bei allen Aufgaben, mit denen wir uns beschäftigten, mussten wir
eine Reihe von Problemen lösen", erklärt der Projektkoordinator. "So war
beispielsweise die Extraktion von Inhalten aus Bildmaterial, wie z. B.
Wetterkarten, eine große Herausforderung dar. Die Entwicklung von Maßen
für die Bewertung der Qualität bestimmter Daten und die Extrapolierung
von Luftverschmutzungskonzentrationen, die an einem bestimmten Punkt
gemessen wurden, auf nähere Umgebung sowie die Berücksichtigung der
Morphologie der Landschaft waren andere schwierige Themenbereiche. Durch
eine vernünftige Beurteilung von Umweltdaten und der Bedürfnisse des
Benutzers sowie die Entwicklung eines schnellen, hochwertigen
mehrsprachigen Textgenerators konnten wir die Hindernisse überwinden."
Bei Umweltdaten kam außerdem noch die Verständnisfrage hinzu.
"Was bedeutet beispielsweise für mich persönlich die Tatsache, dass
die Ozonkonzentration 170 Mikrogramm pro Kubikmeter erreicht hat?
Insbesondere Menschen mit gesundheitlichen Problemen oder Allergien, die
sehr empfindlich auf hohe Luftverschmutzung oder hohe
Pollenkonzentrationen reagieren, ist nicht klar, wie sie die
Konzentrationswerte, die sie im Internet finden, interpretieren sollen",
bemerkt Prof. Wanner.
Angesichts ihrer übersichtlichen Benutzeroberfläche und der
individuell angepassten und lokalisierten Angaben leistet das
PESCADO-System nicht nur bei der Unterstützung einzelner Bürger bei der
Planung ihrer täglichen Aktivitäten einen wertvollen Beitrag, sondern
hilft auch den Behörden dabei, die Umweltverschmutzung unter Kontrolle
zu bringen, und Unternehmen bei der Einhaltung von Umweltvorschriften.
"Die europäische Gesetzgebung verlangt, dass die Mitgliedstaaten und
regionalen Regierungen die Bürger umfassend und für sie verständlich
über lokale Umweltbedingungen informieren. PESCADO ist ein Instrument,
das einen wichtigen Beitrag zur Durchführung dieser Vorschriften leisten
könnte", sagt Prof. Wanner.
Das Prototypsystem erfasst gegenwärtig Finnland und ist in Englisch, Finnisch und Schwedisch verfügbar.
Da es bei verschiedenen Behörden in ganz Europe Anklang gefunden
hat, besteht das Ziel des Teams, Prof. Wanner zufolge, jetzt darin,
weitere Finanzmittel zu finden, um die geografische Abdeckung zu
erweitern, weitere Sprachen einzubinden und mehr Bereiche hinzuzufügen,
wie z. B. Daten zur Wasserqualität und Verkehrsbedingungen.
PESCADO erhielt Forschungsmittel innerhalb des Siebten Rahmenprogramms der Europäischen Union (RP7).
Link zum Projekt auf CORDIS:
-
RP7 auf CORDIS-
Datenblatt des Projekts PESCADO auf CORDIS
Link zur Projektwebsite:
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Website des Projekts "Personalised Environmental Service Configuration and Delivery Orchestration"
Link zu weiterführendem Video:
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Video des Projekts PESCADO
Weitere Links:
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Website er Europäischen Kommission zur Digitalen Agenda