Mit Alzheimer assoziiertes Protein wirkt sich auf die kognitive Leistung aus

Es ist bekannt, dass unser Gehirn auch im Erwachsenenalter neue Zellen produzieren kann. Doch wenn uns dieses Wissen im Kampf gegen neurodegenerative Erkrankungen helfen soll, müssen wir die Mechanismen genauer verstehen, die diesem Prozess zugrunde liegen. Vor diesem Hintergrund beleuchtet eine neue Studie, die von EU-geförderter Forschung profitiert, welche Rolle das Protein APP für die Neuroplastizität spielt.

Mutationen des Gens, das für das Amyloid-Vorläufer-Protein (APP) verantwortlich ist, stehen bekanntermaßen mit der Entwicklung von Alzheimer in Zusammenhang. Eine neue, im „Journal of Alzheimer’s Disease“ veröffentlichte Studie, welche die Ergebnisse des EU-geförderten Projekts AGGRESSOTYPE heranzieht, beschreibt jedoch erstmals einen Zusammenhang zwischen diesen Proteinvarianten und der kognitiven Leistung im Kindesalter.

Die Forscher der Studie beobachteten insbesondere eine Verbindung zwischen dem APP-Gen und dem Leistungs-IQ (Performace IQ; PIQ). Der PIQ soll die fluide Intelligenz widerspiegeln und bezieht sich auf die Fähigkeit, Probleme zu lösen und logisch zu denken, wofür wir unser Arbeitsgedächtnis verwenden. Im Gegensatz dazu steht die kristalline Intelligenz, die unsere erworbenen Kenntnisse und Fertigkeiten umfasst. Die Arbeit wirft Fragen hinsichtlich der Rolle auf, die das Protein für die Neuroplastizität und spätere kognitive Störungen spielt.

Die Bedeutung der Neuroplastizität für die kognitive Gesundheit

Die Zellen unseres Gehirns kommunizieren über Synapsen miteinander, die spezielle Proteine enthalten. Die intellektuelle und kognitive Funktion ist davon abhängig, dass dieses Netzwerk seine Anpassungsfähigkeit bewahrt, die Neuroplastizität genannt wird. Mutationen in einigen dieser synaptischen Proteine können jedoch zu Hirndysfunktionen wie Epilepsie und Autismus führen.

Die Forscher der Studie konzentrierten sich speziell auf ein Cluster von Genen, dass in seiner Gesamtheit ARC-Komplex bezeichnet wird, da es mit dem Arc-Protein (activity-regulated cytoskeleton-associated protein) assoziiert wird. Arc und dessen Regulatoren und Interaktoren sind dafür bekannt, die Neuroplastizität zu fördern. Die Gene des ARC-Komplexes sind zudem an einer Reihe von Erkrankungen beteiligt, die sich durch eine Einschränkung der kognitiven Leistung auszeichnen, darunter insbesondere Alzheimer. Die Studie gründete daher auf der Annahme, dass sich der ARC-Komplex während des gesamten Lebens wesentlich auf die kognitiven Fähigkeiten eines Menschen und auch auf altersbedingte Demenz auswirken kann.

Im Rahmen der Studie werteten die Forscher sowohl den IQ als auch genetische Marker von 5 165 Kindern aus der Avon Longitudinal Study of Parents and Children aus. Anschließend untersuchten sie die Variationen in der DNA-Sequenz von 17 008 Erwachsenen mit Alzheimer und 37 154 gesunden Erwachsenen. Zudem berücksichtigen sie die genetischen Daten zu 112 151 Erwachsenen, die auf ihre kognitiven Funktionen hin beurteilt wurden.

Wie einzelne Moleküle unser Verhalten bestimmen

Die Forscher stellten tatsächlich fest, dass eine Variation in der DNA-Sequenz innerhalb des Gens, welches das APP-Protein kodiert, mit der fluiden Intelligenz der Kinder in Zusammenhang stand. Bei Erwachsenen konnte dieselbe Variation mit Alzheimer in Verbindung gebracht werden. Darüber hinaus korrelierte die genetische Variation innerhalb des APP-Gens anscheinend mit der als Reaktionszeit ausgedrückten Informationsverarbeitungseffizienz. Wir wissen, dass APP ein Protein kodiert, das in der grauen Hirnsubstanz senile Plaques (extrazelluläre Ablagerungen) bilden kann, die im Gehirn von Alzheimerpatienten in hoher Dichte nachweisbar sind. Es ist jedoch noch unbekannt, wie diese Ablagerungen die Hirnfunktionen beeinträchtigen und ob sie selbst zu Alzheimer führen.

Die Forscher beschrieben ihre Arbeit als „explorativ“ und schlagen Nachfolgeuntersuchungen vor, um genauer erforschen zu können, wie sich APP-Variationen im Lauf des ganzen Lebens auf die kognitive Funktion auswirken. Sie hoffen, dass dieses tiefere ätiologische Verständnis letztendlich zu Behandlungsmöglichkeiten für kognitive Dysfunktionen wie Alzheimer führen wird.

Das Projekt AGGRESSOTYPE (Aggression subtyping for improved insight and treatment innovation in psychiatric disorders), durch das Teile dieser Studie erst möglich wurden, wurde ins Leben gerufen, um die biologische Basis von Aggression zu erforschen, wobei man sich speziell auf in der Kindheit auftretende Störungen wie die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) konzentrierte. Hierbei wird ein multidimensionaler Ansatz verfolgt, der Beiträge aus der Genetik, Gehirnbildgebung und Epigenetik sowie kognitive und verhaltensbezogene Beurteilungen umfasst.

Das Projekt ist darauf gerichtet, Algorithmen zur Aggressionsvorhersage sowie Behandlungsoptionen zu entwickeln, die nicht nur pharmakologische sondern auch nicht-pharmakologische Strategien wie Biofeedback umfassen. In der EU sind Schätzungen zufolge mehr als 5 Millionen Kinder und Heranwachsende von psychiatrischen Aggressionsstörungen betroffen, was für das Gesundheitssystem mit jährlichen Kosten von über sechs Milliarden Euro verbunden ist.

Weitere Informationen:
Projektwebsite

Datum der letzten Änderung: 2017-08-14 17:15:01
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